Das Vermächtnis des Shalom Shepher - Roman
Mishnah gebeugter Student. Ein undefinierbarer Schauder rann mir über den Rücken. Die Augen auf den Gehsteig gerichtet fragte er: »Wissen Sie, was im Kolophon steht?« Er hob die Augen und hielt mich mit einem recht beunruhigenden Blick fest.
Ich lachte. »Ein Märchen«, sagte ich.
»Warum ein Märchen? Glauben Sie denn an gar nichts?«
Er breitete ungeduldig die Hände aus. »Ihr Kodex, wie Sie ihn nennen, ist rechtmäßiger Besitz des Stammes Dan.«
Ich konnte nicht anders als ein betretenes Gesicht ziehen. »Ja, aber das ist doch Kokolores, nicht wahr? Eine erfundene Geschichte. Das meint jedenfalls der Professor.«
»Komischer Professor, der seinen eigenen Augen nicht traut.«
»Im Gegenteil, ein sehr vernünftiger Professor.« Ich drückte mich entschlossen von der Wand ab und ging weiter. »Egal, wieso wissen Sie eigentlich so viel darüber?« Er antwortete nicht. Er fiel zurück. Ich drehte mich um. »Ich wollte Sie nicht verletzen.«
»Nein. Schon gut.« Er lächelte trübselig. »Wirklich. Aber ich dachte, ich bleibe lieber außer Sichtweite des Hauses.« Er deutete auf den Bungalow, der nur noch ein paar Meter vor uns lag.
»Oh.«
»Wir sehen uns«, witzelte er und marschierte ohne eine Antwort abzuwarten von dannen, die gestreifte Plastiktüte mit Lebensmitteln fest in der Hand.
Fünftes Kapitel
Jerusalem, Die Heilige Stadt, 17. Cheshvan
Geliebter Sohn!
Deinen Brief vom 1. November haben wir erhalten. Wir schicken dir unsere Segenswünsche für deine Ernennung zum Lehrer für Hebräisch und Rechnen, mögest du hart arbeiten und Erfolg haben und von dort aus deinen Weg im Leben finden, sodass er deinen Eltern Zufriedenheit bereitet. Ohne Zweifel ist es in deinen Augen ein bescheidener Anfang, aber vergiss nicht,
dass auch dein Vater in einer solch bescheidenen Position begonnen hat, denn es steht geschrieben: Und lass sie keinen Anlass haben zur Scham durch mich und lass mich keinen Anlass zur Scham haben durch sie. Und lasst uns sagen: Amen.
Als wir deinen Brief erhielten, haben wir einen neuen Ordner für dich angelegt, der dritte, den wir bisher anzulegen Grund hatten. Dort haben wir deinen Brief eingeheftet und eine Abschrift dieses Briefes, unserer Antwort darauf. Die beiden ersten Ordner platzen schon aus allen Nähten. Sorge dafür, dass dieser nicht leer bleibt. Dafür wirst du dich ein bisschen anstrengen müssen, denn ich bin nicht mehr so jung, wie ich einmal war, und werde nicht mehr, wie früher, jede Woche schreiben, selbst wenn ich keine Antwort von meinen Kindern erhalten hatte und der Ordner sich vor allem mit meinen eigenen Briefen füllte. Jetzt werde ich nur noch auf Briefe antworten, die ich erhalte.
Natürlich muss man auch noch etwas anderes beachten: nämlich den Inhalt der Briefe. Sie dürfen ausschließlich gute und freudige Nachrichten enthalten. Das könnte sich als nicht so einfach erweisen, vor allem wegen deiner Neigung, die wir so oft bemerkt haben, zu Melancholie und Unzufriedenheit. Dennoch hoffen wir, dass es so sein wird.
Hier geht alles seinen gewohnten Gang. Die ganze Familie sendet ihre herzlichsten Grüße.
Sei gesegnet von deiner Mutter und deinem Vater
Joseph
PS: Schreib uns, wie es dir weiter ergeht.
Jerusalem, DHS, 8. Nissan
Geliebter Sohn!
Wir haben mit Interesse von deiner Bewerbung um den Posten des Gesundheitsinspektors für Lebensmittel beim städtischen Gesundheitsamt gelesen. Der Posten ist sicher nicht ganz unwichtig, aber ist er dir intellektuell anregend genug? Lehren ist zwar weniger abenteuerlich, wird aber stets den Verstand fordern. Wir sind sicher, dass du deine Sache gut machst, und wünschen dir allen Erfolg bei dieser neuen Unternehmung.
Es ist schade, dass das Unterrichten dich nicht zufriedenstellt, aber vor einem Jahr hat man dir bessere Stellen angeboten, und du hast sie abgelehnt.
Hier geht es allen gut. Nichts zu berichten. Ein Buchhändler ist vorbeigekommen, ein persischer Jude, und hat nach wertvollen Büchern gefragt. Ich habe ihm gesagt, dass deine Mutter alle Raritäten während des Krieges verkauft hat.
Miriam wartet auf deinen Brief. Sie fragt mich fast jeden Tag danach.
Es sieht so aus, als könne Ben Zion an Pessach nicht aus Boston hierherkommen. Du kommst natürlich über die Feiertage.
Sei mir gegrüßt und gesegnet,
Joseph
Jerusalem, DHS, 14. Tammuz
Geliebter Sohn!
Wir dachten, du kommst zum Shabbat, aber du bist nicht gekommen. Der Ton deines Briefes lässt darauf
schließen,
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