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Das Vermächtnis des Shalom Shepher - Roman

Das Vermächtnis des Shalom Shepher - Roman

Titel: Das Vermächtnis des Shalom Shepher - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tamar Yellin
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dass du in Tel Aviv im Moment keine nennenswerte Einkommensquelle hast, und es scheint außerdem, dass es dir am Nötigsten fehlt. Warum bleibst du dann in Tel Aviv? Komm nach Hause und bleib bei uns, bis du dich in der Lage siehst, eine Entscheidung über deine Zukunft zu treffen. Vielleicht kannst du für den Übergang ein bisschen unterrichten wie in Tel Aviv auch.
    Es schmerzt uns, dich in einer solchen Situation zu wissen. Wenn deine Privatschüler deine Geduld wirklich so strapazieren, dann gibt sie auf, ihnen und dir selbst zuliebe. Vor allem komm nach Hause und lass uns darüber sprechen und für deine langfristige Zukunft eine Lösung finden.
    Miriam fragt immer noch nach ihrem Brief. Ich lege eine halbe Lira bei. Wir dachten, du kannst ein bisschen Geld gebrauchen.
    Sei uns allen gegrüßt und gesegnet,
    Joseph
     
    Dies ist die Stadt, in die mein Vater kam: eine Stadt der geraden Straßen, blassen Wohnblöcke und frisch gepflanzten Bäume. Die Weiße Stadt, das kleine Tel Aviv. Eine Stadt wie auf dem Reißbrett eines Architekten entworfen, unwirklich: Wo heute Sand ist, ist morgen ein gepflasterter Boulevard. Ein Café an jeder Ecke und am Ende jeder nach Westen führenden Straße die blaue Überraschung: das Meer. Eine Stadt, die sich erhob wie im Traum, die noch zwanzig Jahre zuvor nichts als Dünen gewesen war. Eine Hochzeitstortenstadt mit Türmchen und Balustraden und türkischen Minaretten, dekoriert mit Zierleisten aus der Firma Alfred Willard in Valhalla: Neogotik, Klassizismus, Orientalismus und Romantik, Barock, Rokoko, Art nouveau. Eine Stadt,
in der ein deutscher Immigrant auf einer wienerischen Veranda sitzen und auf einen maurischen oder italienischen Balkon schauen konnte. Alles strahlte, alles war nagelneu. Man wusste nicht, noch nicht, dass die Balustraden rosten würden, die Zierleisten verblassen und abbröckeln, dass die Stadt, die auf Sand gebaut war, im Wesentlichen aus Sand gebaut war.
    Dies ist die Stadt, in die er kam: ein blässlicher Jerusalemer, der nicht schwimmen konnte. Er ging unsicher über die neuen Gehwege und blinzelte im Meereslicht. Er lebte von der Hand in den Mund, verkroch sich in einem kleinen, kahlen Zimmer in der Gordon-Straße, mit dem unvermeidlichen handschriftlichen Zettel im Fenster: Man lehrt hier Hebräisch . Ein Zimmer mit einem Waschbecken und einem kleinen Vorraum. Ein Klapptisch und ein Klappbett. All die Einfaltspinsel, all die Dummköpfe, all die ausgesuchten Idioten, die in ihren engen Jacken aus den europäischen Schiffen in Jaffa strömten, klopften in einem endlosen Strom an seine Tür.
    »Ich zerbreche, ich zerschmettere,
ich werde zerbrochen,
ich werde zerschmettert, ich sorge für Scherben.«
    Stunde um Stunde saß er da und starrte aus dem Fenster, während seine Schüler durch die Konjugationen der regelmäßigen Verben stolperten. Er schien eine unendliche Geduld zu haben, eine felsenartige Ruhe, die für einen jungen Mann ungewöhnlich war. Sie hielten sich an ihn wie an ein Orakel, einen Wahrsager, auf diesem fremden Kontinent, bei diesem Neuanfang.
    »Ich werde zum Zusammenbruch gebracht,
ich zerstöre mich.«

    Wenn sie gegangen waren, lief er nach Norden, zur Mündung des Jarkon, und weiter zum neuen Hafen und dem orientalischen Markt, hinaus in die Orangenhaine jenseits der Stadt. Oder er ging am Strand entlang bis Jaffa, setzte sich in Schuhen in den Sand und sah die Sonne seiner Wünsche im Meer der Ambitionen versinken. Er schloss die Augen, spürte die Meeresbrise im Gesicht und fuhr sich mit dem Finger immer wieder über die pergamentartig trockenen, brüchigen Lippen. Lange nach Einbruch der Dunkelheit lief er manchmal weiter, bis er nicht mehr konnte, unfähig, die Unruhe zu mildern, die ihn erfüllte.
    Er hatte die Stelle als Lehrer schnell aufgegeben, sich einen anderen Job gesucht und auch dort aufgehört; er hatte sich um den Posten als Gesundheitsinspektor beworben, dann aber seine Bewerbung zurückgezogen: Diese Arbeit klang langweilig und behagte ihm nicht. Er wusste sehr wohl, dass es hinter den weißen Fassaden von Tel Aviv stank, und hatte nicht das geringste Bedürfnis, sein Geld damit zu verdienen, dass er die Nase in die gammeligen Ecken der Stadt steckte. Auch andere Angebote reizten ihn nicht: Er schien nur eine Form der Sklaverei gegen eine andere auszutauschen, und die nächste Stelle schien ihm immer noch härter als die letzte zu sein. Aber am härtesten, dachte er, war es für seine armen Schüler, mit

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