Das Vermächtnis des Shalom Shepher - Roman
interessieren vor allem die Preise für Autos und Elektrogeräte in Großbritannien.
Ich frage mich, wer er ist, dieser Verwandte, der mir überhaupt nicht ähnelt, und soweit ich es beurteilen kann, auch keinem früheren Shepher. Er ist langgliedrig und athletisch, sein Kopf voller dunkler, widerspenstiger, kurz geschorener Haare. Er hat einen verschlafenen Blick. Der kleine Junge, an den ich mich erinnere, war blond und zart. Er jagte im Garten meiner Cousine Schmetterlinge. Er ließ einen bunten Käfer über seine sanften Hände laufen. Er zeigte mir, wo im verwilderten Orangenhain Eisvögel lebten.
Wo er hell war, ist er jetzt dunkel; wo er leicht war, ist er jetzt schwer. Ich stelle ihm Fragen, und unser Gespräch landet in Sackgassen und Einbahnstraßen der Verschwiegenheit, der Geheimnisse, der einstudierten Zurückhaltung. Ich stolpere wie ein Zivilist durch einen militärischen Hindernisparcours. Ich bin aufgeschmissen.
Auf dem langen, goldenen Sofa in Tante Miriams Wohnzimmer ausgestreckt, sieht er eindrucksvoll aus, wie eine griechische Statue, aber vollkommen unergründlich, ein Angehöriger einer fremden Rasse. Er wirft sich Erdnüsse in den Mund und spricht in harten, abgehackten Sätzen. Sie prallen von mir ab wie Kugeln, ich kann nichts mit ihnen anfangen. Manchmal hebe ich sie auf und versuche, ein sinnhaltigeres Gespräch daraus zu machen; aber im Gegenzug werden meine Sätze wie Daten einer riesigen Datenbank einverleibt.
Tante Miriam sitzt am anderen Ende des Sofas und wirkt halb bewundernd, halb amüsiert, als sei sie nicht im Mindesten überrascht, dieses Wunder hervorgebracht zu haben: Im Gegenteil, sie erkennt diese neue Ausprägung des Shepher-Clans voll an. Und wie ich ihn so betrachte, entdecke ich vertraute Züge: die schmalen, blassen Lippen, die abstehenden Ohren, wie er die Beine übereinanderschlägt oder sich mit
dem kleinen Finger an der rechten Augenbraue kratzt. Es ist, als würden Fragmente eines geliebten Gesichts in den Tiefen eines Hologramms aufscheinen.
»Es war Yigal«, erzählt Miriam mir stolz, »der den Kodex gefunden hat.«
»Yigal hat ihn gefunden? Ehrlich. Ist das wahr?«
Ich weiß, dass ich ihm ebenso ein Rätsel bin wie er mir: eine Ausländerin, eine Dilettantin mit gepflegten Händen. Ein Gefühlsmensch gar. Für seinen Geschmack interessierte ich mich viel zu sehr für die Vergangenheit. Aber seine Gesten spiegeln die meinen genau, wenn er sich übers Kinn streicht und sagt: »Wenn ich nicht Israeli wäre, wüsste ich nicht, warum ich Jude sein sollte.«
Mit einem einzigen Satz tut er das komplette Rätsel meines Daseins ab. »Komisch«, antworte ich. »Es gibt Juden, die wissen nicht, warum sie Israelis werden sollten.«
Er zuckt mit den Schultern. Er ist fast undurchdringlich. Aber hinter der harten Soldatenschale ahne ich den verwundbaren Jungen.
Er sagt, er hat einen Freund, der mir billig ein Auto vermieten kann.
Er ist ein mächtiges Wesen. Er platzt herein, isst Teller leer, verbreitet Lebensweisheiten. Und als er fertig ist, küsst er flott seine Großmutter, schüttelt mir die Hand und verschwindet wieder in die schwüle Nacht.
Dreizehntes Kapitel
Als er weg ist, drehe ich eine Runde an den Wänden entlang. Es hängen seltsame Bilder hier, schimmernd und verschachtelt: durcheinandergewürfelte graue Vierecke, eine Reihe ineinanderliegender blassblauer Torbogen. Etwas wie
ausschreitende Berghänge in Lila, einer über dem anderen. Andeutungen von Städten, Andeutungen von Ruinen. Dazwischen vertraute Bilder, die ich wiedererkenne: ein siebenarmiger Leuchter, in Gold geprägte Zehn Gebote, kunstvoll verschnörkelt und mit dem Wort »Osten« verziert.
Es gibt ein Atelier, in dem meine Tante arbeitet, in langen, ruhigen Sitzungen, in heiterem und überlegtem Frieden. Zwar wird die Zeit jetzt knapp, aber sie lässt sich nicht hetzen. Sie sagt, sie sei nie einsam. Der Tag habe kaum genug Stunden.
Ich denke an meine eigenen Ambitionen, die in meiner Kehle verrosten, an die Stimme, die ich einmal hatte und die nicht mehr ist, was sie mal war.
Ich bin versucht, ein paar Töne auszuprobieren.
Ich denke an die falschen Abzweigungen und das Aufschieben, die Vorsicht und die Unfähigkeit zu entscheiden; an den blanken Fatalismus, der mich zu dem gemacht hat, was ich bin. An ein Leben in der ständigen Erwartung, dass irgendetwas passieren wird, dass einmal ein Wunder geschehen wird. Dieselbe missverstandene Tapferkeit, die meinen Vater antrieb.
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