Das Vermächtnis des Shalom Shepher - Roman
Schreibtisch meines Vaters quoll über von:
Amtlichen Schreiben
Kostenvoranschlägen von Handwerkern
Darlehenskontoauszügen
Stromrechnungen
Mietverträgen
Letzten Mahnungen
Kaufverträgen
Malerrechnungen
Jahr um Jahr beabsichtigten sie, dort hinauszuziehen, Jahr um Jahr verschoben sie es und zögerten es hinaus. Das Haus wurde grau und verfiel. Im Garten wuchsen Steine und Skorpione. Neue, glücklichere Häuser schossen um das vernachlässigte Grundstück herum aus dem Boden.
Ich erinnere mich an die Geschichte des Hauses in Savyon. Wie es jahrelang wie tot auf dem Markt lag, wie sie es nicht für Geld und gute Worte loswurden. Wie sie es schließlich für ein Butterbrot verkauften, weiteren Verlusten vorbeugten und am Ende nichts übrig war. Monate nach dem Verkauf schoss der Wert des Grundstücks in die Höhe, das schäbige kleine Haus wurde abgerissen und an seiner Stelle wurde eine Villa mit sechs Schlafzimmern gebaut. Savyon wurde eine der exklusivsten Wohngegenden.
»Hätten sie doch daran festgehalten«, lamentierte mein Onkel Saul, »es wäre jetzt Millionen wert.« Aber wie hätten sie an etwas festhalten sollen, was so offensichtlich war, an einem Traum, der sich in all seiner Schäbigkeit und Profanität erfüllt hatte?
Jahre nachdem wir es verloren hatten, träumten wir von dem Haus in Savyon: einem strahlend weißen Haus in einem Garten mit Granatapfelbäumen. Ein leuchtendes, perfektes Haus, umgeben von schimmerndem Rasen.
Fünfzehntes Kapitel
Allein im Arbeits- und Gästezimmer lehne ich mich aus dem Fenster, atme die von Küchengerüchen und aufkommendem Sturm und Abgasen durchsetzte Nachtluft ein, betrachte die Lichtquadrate in den anderen Wohnblocks, die roten und weißen und goldenen Nadelstiche von tausend anderen Fenstern. Ich spüre meine Einsamkeit, spüre, wie weit ich gekommen bin, wie fremd und vertraut mir diese ferne Stadt ist.
Mein Urgroßvater hatte einen seltsamen Traum: Er wollte die zehn verlorenen Stämme zurückholen. Er wollte es wörtlich tun, mit Booten und auf Kamelen, über Berge und durch Wüsten: sie wie Moses, auf wunden Füßen, ins Gelobte Land führen.
Jetzt sind all diese Menschen hier und sprechen von Wundern, von fliegenden Teppichen und Adlerschwingen. Aber ich sehe nur, wie vertrackt Wunder sind, mit welchem Pragmatismus Prophezeiungen wahr gemacht werden, mit wie viel Blut und Verzweiflung Träume in die Tat umgesetzt werden.
Ich wende mich vom Fenster ab und streiche mit der Hand
über die Bücherregale. Die papiernen Buchrücken blättern ab und sind blass geworden von vielen heißen Sommern: Anorganische Chemie, Das Leben Louis Pasteurs, das Medikamente- und Therapeutika-Bulletin von 1978. Ich nehme Leninismus von Stalin in die Hand und lese:
Der Leninismus ist der Marxismus in der Epoche des Imperialismus und der proletarischen Revolution.
Eine tote Motte fällt zwischen den Seiten heraus.
Ich lege mich im Halbdunkel auf den Rücken. Ich atme den Staub der Bücher ein und schließe die Augen.
Sechzehntes Kapitel
Viele hundert Jahre später, nach seinem Tod, ging Moses mit Gott im Garten Eden spazieren. Moses sprach: »Jahrhundertelang bin ich im Garten Eden spazieren gegangen, und jetzt bin ich unzufrieden, weil ich so unwissend bin.«
Und Gott führte Moses zu einer Doppeltür, kunstvoll geschnitzt und höher als der Turm zu Babel. Moses ging durch die Türen und betrat eine Bibliothek so weit wie das Meer, gesäumt von enormen Bücherregalen, die höher waren, als man schauen konnte.
Er trat auf den Bibliothekar zu, der etwa auf Schulterhöhe schwebte und neue Bücher in einen dicken Katalog eintrug. »Ich bin unwissend und muss lernen«, sagte er. »Wo soll ich anfangen? Was empfiehlst du?«
»Das kommt darauf an, was du lernen möchtest.«
»Alles«, antwortete Moses.
Der Engel bewegte sich in östliche Richtung, und nach
einer Strecke von mehreren Kilometern erreichten sie den Anfang der Bibliothek. »Dann fang doch hier an«, sagte der Engel, »und arbeite dich durch. Ich bin da, wenn du mich brauchst.«
Und Moses setzte sich und begann zu lesen. Er arbeitete sich systematisch durch die Regale, ließ kein Buch ungeöffnet und keine Seite ungelesen.
Die Zeit verging. Die Bibliotheksangestellten schwebten geräuschlos von Gang zu Gang, während die Gänge fast unmerklich immer länger wurden, sich in die Ferne streckten und in den blauen Himmel wuchsen.
Moses sprach einen Engel an, der mit einem Stapel neuer Bände
Weitere Kostenlose Bücher