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Das Vermaechtnis des Will Wolfkin

Das Vermaechtnis des Will Wolfkin

Titel: Das Vermaechtnis des Will Wolfkin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Knight
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schwimmen!«, brachte ich gerade noch heraus.
    »Vor vierundzwanzig Stunden konntest du auch nicht laufen!«, rief er. » Spring !«
    Da spürte ich bereits den Bootsrand an den Fersen, und wahrscheinlich hätte ich mich ohnehin nicht länger halten können. Ich sah Egil in das weiß schäumende Wasser vor dem Bug stürzen. Die Möwen rissen jetzt meinen Mantel entzwei, um dem Hauptangreifer eine ungeschützte Stelle meines Körpers zu bieten.
    Egil hatte recht. Mir blieb keine Wahl. Ich ließ mich kopfüber ins Unbekannte fallen.

5. Kapitel
    Z uerst war es wie ein Sprung in loderndes Feuer. Dann verzwirbelte die Eiseskälte meine Zehen und Finger und lähmte meine Gelenke. So hoch im Norden liegt die Wassertemperatur nur knapp über dem Gefrierpunkt, auch im Sommer. Ich hatte das Gefühl, mein Kopf sei in einen Schraubstock gezwängt, mein Gaumen würde zerdrückt und meine Zähne würden zersplittern wie Glas.
    Schmerz war mir neu. Stellt euch vor, ihr hättet euer Leben in absolutem Schweigen zugebracht und würdet plötzlich in ein Orchester geworfen, in dem alle Instrumente wild durcheinanderspielen! So empfand ich es. Die Kälte war wie scheppernde Zimbeln, wummernde Trommeln und krächzende Violinen.
    Dann knackte es in meinen Ohren, und ich merkte, dass ich die schäumenden Bugwellen hinter mir gelassen hatte. Die Wasseroberfläche war ruhig, darüber kreisten die Möwen. Nach einer Weile spürte ich eine unbekannte Wärme aus meinen Beinen aufsteigen und bis in die Brust dringen; der erste Schock des Aufpralls auf dem Wasser hatte mir nämlich fast den Atem genommen. Mein Pelzmantel lag inzwischen eng und glatt an meinem Körper wie das Fell einer Robbe, kein Tropfen Wasser drang hindurch. Die Hose unter der leicht gekräuselten Wasseroberfläche sah milchig weiß aus, und ich spürte, wie das magische Material um meine Gelenke immer elastischer wurde, sodass ich Wasser treten konnte. Zum Schutz gegen die Kälte zog ich die Hände in die Ärmel; die Hosenbeine waren ohnehin länger geworden und bewegten sich wie Flossen an meinen Füßen.
    Plötzlich spürte ich eine Hand an meinem Fußgelenk und dann wurde ich unter Wasser gezogen.
    Die unerwartete Kälte hatte mich vergessen lassen, dass ich nicht schwimmen konnte. Jetzt aber zog mich eine unsichtbare Macht in den Tod! Von instinktiver Panik ergriffen, schlug ich mit Armen und Beinen um mich und brachte eine Art Hundepaddeln zustande. Das Meer unter der Wasseroberfläche war ein Universum aus Dunkelblau und Schwarz, eine Tiefe, die Übelkeit verursachte und mich schwindeln ließ, doch während ich noch schaudernd hinabblickte, sah ich ein Gesicht zu mir aufschauen.
    Es war Egil, und es war seine Hand, die mich immer tiefer hinabzog. Seine Wangen waren aufgeblasen, sein schwarzes Haar trieb wie Seetang um ihn her.
    Ich trat mit aller Kraft nach ihm, aber er hing wie ein eiserner Anker an mir. Er hielt mich fest, bis mir das bisschen Atem ausging, das ich noch hatte schöpfen können, bevor er mich in die Tiefe zerrte. Meine Panik ließ nach, eine seltsame Ruhe überkam mich. Ich sah meinen Arm langsam an meinem Gesicht vorbeitreiben und die Schwärze der Unterwasserwelt drang in meinen Kopf. Ich war überzeugt, dass ich gleich sterben würde.
    Dann plötzlich: Sonne und blauer Himmel und Wellen, die mir ins Gesicht schlugen, und als ich gierig atmete, spürte ich kostbare Luft samt Schaum und Gischt. Wenige Meter über meinem Kopf entdeckte ich eine Möwe, die nach links und rechts äugte und forschend die Wellenkämme absuchte. Kaum hatte ich meine Brust mit Luft gefüllt, wurde ich erneut von der Hand in die Tiefe gezogen, und dieses Mal begriff ich, dass Egil mich nur vor den Möwen schützen wollte. Ich zog den Kopf ein und zählte die Sekunden. Als ich die Luft nicht länger anhalten konnte, atmete ich eine Kette von Luftbläschen ins Wasser, und Egil ließ mich los.
    Auf diese Weise verbargen wir uns fast eine halbe Stunde unter den Wellen. Von Mal zu Mal konnte ich länger unter Wasser bleiben, und nach einer Weile fand ich es sogar ganz angenehm, im Meer zu schwimmen. Das Boot freilich ließ sich unsertwegen nicht aufhalten, doch die Möwen kreisten weiter über uns und stießen immer wieder schreiend und in überraschenden Sturzflügen auf das Wasser herab. Endlich hatte uns die Strömung so weit von der Stelle abgetrieben, wo die Möwen nach uns Ausschau hielten, dass Egil mich auftauchen ließ.
    »He, Toby, du hast einen Tritt wie ein verdammtes

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