Das Vermaechtnis des Will Wolfkin
Kleidung verwandelt worden.
Egil flocht sich als Schmuck grünen Seetang ins Haar und grinste mich an.
»Du wirst sehen, Toby«, sagte er, »Großvater wird zufrieden mit dir sein.«
6. Kapitel
G efällt dir der Name Toby eigentlich? Oder würdest du ihn lieber gegen etwas … Fantasievolleres tauschen wollen?«, fragte Egil, während er vor mir den Hang aus Schiefersteinen hinaufkletterte. »Jetzt, wo du bei uns bist, kannst du dich nämlich nennen, wie du willst.«
Der Seetang in seinem Haar sah aus wie eine aufgeweichte Krone. Ich dachte an die Geschichte mit meinem Namen, den ich nach der Katze einer Krankenschwester bekommen hatte.
»Was ist gegen Toby einzuwenden?«, sagte ich.
»Es ist wie mit Shipley. Kein richtiger Name eben. Namen haben einen bestimmten Geruch. Shipley riecht nach altbackenem Brot auf einem schmutzigen Teller. Und Toby riecht wie das Innere einer Holzkiste mit alten Zeitungen und einer Kerze.«
Ich war ziemlich stolz auf meinen guten Geruchssinn, aber dass ich schon einmal den Geruch meines Namens wahrgenommen hätte, konnte ich nicht behaupten. Egil hatte eine Art, die Dinge auszudrücken, dass man wie angewurzelt stehen bleiben konnte, ohne es überhaupt zu merken.
»Keine Ahnung, wovon du redest, Egil, ich heiße jedenfalls Toby und dabei bleibt es«, sagte ich.
Egil suchte forschend den Horizont ab.
»Prinz … › Toby‹ … ›Prinz Toby‹ … hmhmhm …«, machte er nachdenklich, als wäre das Wort »Prinz« ein neuer Anzug für den Namen »Toby«. Er fand offenbar nicht, dass der Anzug passte.
»Wieso Prinz? Was meinst du mit Prinz?«, fragte ich, doch statt zu antworten, sprang Egil plötzlich hoch und griff nach etwas Unsichtbarem. »Weg da! Himmel noch mal! Luftknoten!«, schrie er fauchend und naserümpfend.
»Was um alles auf der Welt ist denn ein Luftknoten?«, fragte ich.
»Manchmal, wenn jemand besonders durcheinander ist, entsteht in der Luft um ihn herum eine Art Knoten. Nur Katzen können sie wahrnehmen. Scheußliches Gefühl! Es ist, als würde sich eine Schnur um den Bauch wickeln. Kann ich nicht ausstehen, so was!«
Ich starrte ihn an, während er sich misstrauisch nach weiteren »Luftknoten« umschaute. Dann sprang er plötzlich mit katzenartiger Geschmeidigkeit auf einen schwarzen Felsvorsprung. Mein magischer Mantel war inzwischen getrocknet und schützte mich vor der kalten Seeluft. Der Wind, die Wellen und die klagenden Schreie eines Brachvogels ließen den Strand einsam wirken. Ein Ort, an den man sich hinsetzen und weinen könnte. Egil sprang vom Felsen.
»Wonach hast du geschaut?«
»Großvater wollte hier auf uns warten«, sagte Egil und ging über das knirschende Geröll des Strandes. »Ich kann mir nicht vorstellen, wo er sein könnte.«
Wir scheuchten einen Schwarm Papageientaucher auf. Sie erinnerten an kleine, dicke Kellner, alle mit dem gleichen, nicht zu bändigenden Haarbüschel. Kaum sah Egil sie auffliegen, rannte er hinter ihnen her und machte einen vergeblichen Versuch, einen mit der Hand zu fangen. Die Vögel entkamen mühelos, und Egil sah ihnen kopfschüttelnd nach, die Hände in die Hüften gestemmt.
»Ich muss mir dieses Verhalten abgewöhnen«, murmelte er vor sich hin und ging weiter. Nach ein paar Schritten blieb er jäh stehen und sah angestrengt die Küste entlang. Sein Gesicht wurde ernst.
»Oh, oh! Das ist übel«, flüsterte er.
Er trat jetzt bei jedem Schritt vorsichtig auf wie eine Katze, die sich an einen Vogel heranpirscht. Obwohl wir auf nassem Geröll gehen mussten, verursachte er kein Geräusch. Ein Stück vor uns sah ich ein Gewirr aus schwarzem Tang, das sich um ein Stück Treibholz gewickelt hatte.
Egil beobachtete es genau.
»Was ist denn?«, fragte ich. Er drehte sich um und sah mich verständnislos an. Seine phosphoreszierenden grünen Augen schienen sozusagen meine Seele zu durchleuchten.
»Ich merke, dass du noch nicht ganz bei uns angekommen bist«, sagte er. »Lass dir helfen.«
Egil legte seine vor Kälte klammen Finger ein paar Sekunden über mein Gesicht und ich spürte die harte Haut seiner Handfläche auf meinen empfindlichen Augenlidern. Da hörte ich vom Meer her ein scharfes Knacken. »Jetzt schau noch mal hin!«, sagte Egil und nahm die Hand von meinen Augen.
Ich blinzelte den Gischtnebel weg und drehte mich nach dem Knäuel Seetang um. Es war gar kein Seetang! Es war ein Körper mit einem Gesicht. Und dieses Gesicht starrte uns aus toten, wässrigen Augen entgegen!
»Was ist
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