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Das Vermaechtnis des Will Wolfkin

Das Vermaechtnis des Will Wolfkin

Titel: Das Vermaechtnis des Will Wolfkin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Knight
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war.
    Shipley, dieser wohlbekannte zappelige schwarze Kater, seit jeher mein bester Freund, hatte sich auf die Möwe gestürzt. Ich nahm an, Egil habe sich in der Nacht in eine Katze zurückverwandelt, wenn ich auch keine Ahnung hatte, warum.
    »Shipley!«, schrie ich instinktiv. »Lass den armen Vogel in Ruhe!«
    Doch der »arme Vogel« ließ sich Egils Unsinn nicht gefallen. Er kreischte durchdringend, schlug mit den Flügeln und hackte nach Egils Gesicht. So brutal war der Angriff der Möwe, dass ich Angst hatte, Egil könnte mit einem Auge weniger aus diesem Kampf hervorgehen. Ich drehte mich um und schaute, ob nicht die Seeleute aufmerksam geworden waren, aber sie fingen gerade an, wieder mit ihren Netzen zu hantieren. Ich rutschte auf Knien vor und versuchte, die Möwe mit lautem Geschrei zu verscheuchen, sie hatte inzwischen einen Fetzen Fell im Schnabel und Egil krümmte vor Schmerzen den Rücken.
    Der Kampf entwickelte seine eigene Dynamik. Mit Maul, Schnabel und Krallen gingen Katze und Möwe aufeinander los und rollten um die Fässer herum, wo ich mich versteckt hielt. Als sie schließlich außer Sichtweite waren, konnte ich nur noch das Kreischen des Vogels und Egils wütendes Zischen hören.
    Irgendwann wurde der Kampflärm um eine Nuance tiefer. Statt zu kreischen, ächzte die Möwe jetzt. Statt zu zischen, fing die Katze an zu fluchen.
    Plötzlich tauchte hinter den Fässern Egils Kopf auf. Nicht der von Egil, dem Kater, sondern der von Egil, dem Jungen mit der strubbeligen schwarzen Haarmähne und den grünen Augen. Er wurde von jemandem mit der Schulter gegen die Fässer gedrückt.
    »Lauf, Toby!«, schrie er.
    Als Egils Gegner aus der Deckung der Fässer kam, sah ich, dass auch er sich verwandelt hatte. Er war keine Silbermöwe mehr, sondern ein erwachsener Mann, größer als Egil und breitschultrig. Der Blick aus seinen gelb umrandeten Augen war stechend und seine Nase gekrümmt wie ein Schnabel. Das weiße Haar hatte er aus dem Gesicht gestrichen, seine Haut wurde zu den Schultern hin dunkler. Er trug ein Gewand aus Pelz und Federn, das sich in der sanftesten Luftbewegung blähte. Plötzlich stieß er einen schrillen Schrei aus und dann sah ich ein Schwert blitzen.
    Mit dieser Waffe, die eine goldene Klinge und drei Smaragde am Griff hatte, holte er zum Schlag gegen Egil aus. Die Juwelen funkelten in der Sonne, als das unheimliche Wesen sein Schwert niedersausen ließ. Doch Egil war es gelungen, ein Fass aus dem Stapel zu zerren und damit den Schlag abzufangen.
    Dann entdeckte der Kerl mich und hielt inne, um zu verschnaufen. Er grinste höhnisch.
    »Du Heuchler!«, knurrte er. »Niemals wirst du Langjoskull erreichen!«
    Wie eine Gewehrkugel feuerte er mir das fremdartige Wort entgegen. Dann sprang er auf die Fässer und zückte von Neuem sein Schwert. Mein Mantel blähte sich vor meiner Brust auf und der Pelz versteifte sich, während das Schwert auf mich niedersauste. Ich hob den Arm, um den Schlag abzuwehren, und zu meiner Überraschung war der Pelz an meinem Ärmel plötzlich hart wie ein Kettenhemd. Der Kerl sprang auf die Deckplanken und suchte mit hastigen Blicken nach einer möglichen Schwachstelle in meiner Rüstung. Er versuchte es mit meiner Brust, doch da schaffte es Egil, den Feind zu packen und ihn für ein paar Sekunden gegen die Fässer drücken.
    Wieder rief Egil mir zu, ich solle laufen.
    »Wohin?«, schrie ich zurück.
    In diesem Augenblick kam eine Möwe mit schwarzem Rücken und leuchtend gelbem Schnabel und flog direkt auf mein Gesicht zu. Sogleich übernahm wieder mein Mantel die Kontrolle, der Ärmel verlieh meinem Arm Kraft, und tatsächlich konnte ich die Möwe problemlos zu Boden schleudern, wo sie mit gebrochenem Hals liegen blieb. Doch sofort erschienen aus dem Nichts ein Dutzend weiterer Möwen, ein ganzer Schwarm, alle wütend wie der nächtliche Sturm und alle mit Schnäbeln und Krallen auf mein ungeschütztes Gesicht und meine Hände einhackend. Ich sah, dass auch Egil von ihnen angegriffen wurde und dass er anfing, wie eine Katze zu zischen und zu kratzen.
    Endlich kam er mir zu Hilfe und drängte mich zur Reling. An den Stellen, wo die Möwen nach ihm gehackt hatten, sah ich blutige Schrammen in seinem Gesicht. Auf einmal blitzte etwas in der Sonne auf: Das goldene Schwert flog auf mein Gesicht zu. Da legte sich mein Mantel schützend um meinen Hals, und ich fühlte, dass ich auch diesen Schlag parieren konnte.
    »Spring!«, schrie Egil.
    »Ich kann nicht

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