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Das Vermaechtnis des Will Wolfkin

Das Vermaechtnis des Will Wolfkin

Titel: Das Vermaechtnis des Will Wolfkin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Knight
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das?«, schrie ich auf.
    Egil stapfte ins Wasser, kämpfte sich durch die Brandungswellen, und obwohl das Ding eindeutig tot war, blieb er wachsam. Leise murmelte er vor sich hin und hielt mich mit ausgestrecktem Arm auf Abstand. Endlich waren wir nah genug, um den Körper deutlich sehen zu können.
    Das tote Wesen schien nur zum Teil ein Mensch zu sein. Es war einen knappen Meter groß, und sein schwarzes Haar, das ihm auf Kopf und Kinn wuchs, war mehr als einen halben Meter lang. Diese Haare waren es, die mir von Weitem wie Seetang erschienen waren. Das Gesicht war zerfurcht und narbig und sah aus wie gebeiztes Kiefernholz. Mit dem Auf und Ab der Wellen winkten uns die kurzen Arme langsam und gleichmäßig zu. Was die See daran hinderte, den leblosen Körper wegzuschwemmen, war ein Schwert mit goldenem Griff, das durch das lederne Gewand des toten Geschöpfs bis tief in den Sandboden gestoßen worden war.
    Die Kreatur war an die Küste von Island geheftet wie eine Botschaft an ein Pinbrett. Und Egil schien diese Botschaft sehr gut zu verstehen.
    »Großvater ist hier gewesen und er war erregt«, sagte Egil, während er immer noch das seltsame Wesen beobachtete, als könnte es jeden Moment das Schwert herausziehen und gegen uns richten. »Es riecht nach Zorn hier auf diesen Felsen.«
    »Das hat dein Großvater getan?«, fragte ich fassungslos.
    Egil nickte geistesabwesend.
    »Wenn er will, kann er noch ganz der alte Wüterich sein«, sagte Egil. »Der kleine Mordbube dort ist wahrscheinlich nach oben geschickt worden, um unsere Ankunft auszuspähen.«
    Schäumend schlug eine Welle um meine Fußgelenke. Es gefiel mir nicht, wie das tote Ding scheinbar kopfnickend bestätigte, was Egil eben gesagt hatte.
    »Von wem geschickt?«, fragte ich.
    Egil war in Gedanken zu weit weg, um daran zu denken, dass er nicht auf meine Fragen antworten sollte.
    »Helva Gullkin«, sagte er fast flüsternd, dann drehte er sich jäh nach mir um. »Hör auf, mich auszutricksen!«
    »Wer ist Helva Gullkin?«
    »Niemand.«
    »Ein Niemand mit einer Schar Mordbuben?«
    Egil packte das Schwert am Griff und riss es mit beiden Händen aus dem Sand. In der nächsten heranrollenden Welle spülte er die Klinge ab und hielt sie ins Licht.
    »Das wirst du brauchen«, sagte er.
    »Aber warum sollte jemand, von dem ich noch nie was gehört habe, mich töten wollen?«, sagte ich. »Alles, was ich in meinem Leben getan habe, ist Aus-dem-Fenster-Schauen. Nichts anderes.«
    Egil drückte mir das Schwert in die Hand, und ich spürte, wie das große Gewicht mein Gelenk dehnte. Um es über die Wellen zu halten, brauchte ich beide Hände.
    »Großvater muss schon vorausgegangen sein, wir werden ihn also in Langjoskull treffen.«
    »Und dieses Langjoskull ist der Ort, den ich meinen Feinden zufolge nicht erreichen soll«, sagte ich tonlos.
    Egil schenkte mir einen mitleidigen Blick. Das tote Wesen winkte uns wie zum Abschied mit seinen leblosen Armen und wurde dann von der nächsten zurückweichenden Welle fortgeschwemmt. In wenigen Augenblicken trieb der Körper wie Strandgut in der Brandung und glich wieder einem Knäuel Seetang.
    Ich hatte dem Gewicht des Schwertes nachgegeben, sodass es jetzt schwer neben mir herunterhing. Bevor die nächste Welle es erfassen konnte, nahm Egil es mir aus der Hand. Wasser tropfte von dem goldenen Griff und Schaft.
    »Die Scheide liegt hinter diesen Felsen dort«, sagte Egil. »Mach das Schwert an deinem Gürtel fest und sei jederzeit bereit, es zu gebrauchen. Ich fürchte, von jetzt an wird es ernster.«
    Egil zauste durch sein unglaublich schwarzes Haar und zwang sich zu einem Grinsen. Wahrscheinlich, dachte ich, macht er das nur, um mich zu ermutigen. Schließlich drehte er sich um, stieg langsam die steile Strandböschung hinauf und sah sich unruhig nach allen Seiten um. Doch er hustete dabei wie eine Katze, der etwas im Hals stecken geblieben ist.

    Jenseits des Salzsumpfes war die isländische Ebene fast beängstigend flach. Bis auf Moos und vereinzeltes Gebüsch wuchs fast nichts. Zurückweichende Gletscher hatten große Felsbrocken abgestoßen, die überall herumlagen. Sie sahen aus wie Geschosse aus einer Schlacht zwischen Riesen, die mit Schleudern aufeinander losgegangen waren.
    Auf unserem Weg stöberten wir Mengen von Schneehühnern auf, blitzweiße Vögel, deren Rufe sich anhörten wie Weckerschrillen und die immer wieder unerwartet hinter Büscheln von Sumpfgras auftauchten. Ich merkte, dass Egil sich bezwingen

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