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Das Vermaechtnis des Will Wolfkin

Das Vermaechtnis des Will Wolfkin

Titel: Das Vermaechtnis des Will Wolfkin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Knight
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Pferd! Au!«, sagte er vorwurfsvoll und strich sein langes schwarzes Haar aus dem Gesicht.
    »Du hast doch gesagt, ›au‹ ist ein prima Wort«, konterte ich, und er spritzte mir Wasser ins Gesicht.
    »Was hatte das alles zu bedeuten?«, sagte ich durch den Sprühregen. »Wer war der komische Mann?«
    »Das war kein Mann«, sagte Egil und musterte den Himmel. »Es war ein Fel. Einer von der schlimmsten Sorte.«
    »Aber warum wollte er mich umbringen?«
    Einen Augenblick tauchte Egil ab, dann steckte er hinter mir den Kopf aus dem Wasser. Ich drehte mich nach ihm um.
    »Wir müssen an Land schwimmen«, sagte er.
    Ich griff nach seinem Arm, damit ich mich über Wasser halten konnte.
    »Er hat mich Heuchler genannt«, sagte ich. »Was soll ich denn heucheln? Und wo ist Langjoskull?«
    Bei diesem Wort kniff Egil die Augen zusammen.
    »Großvater hat gesagt, meine Aufgabe ist es, dich wohlbehalten zu ihm zu bringen. Und das tue ich.«
    Er deutete mit dem Kinn auf eine schmale, ungleichmäßige Linie am Horizont.
    »Komm, wir schwimmen los.«
    »Ich hab dir schon mal gesagt, Egil, ich kann nicht schwimmen!«
    »Und was machst du gerade?«, fragte Egil.
    Kaum hatte er die Frage ausgesprochen, ging ich prustend und spuckend unter. Egil fasste mich an der Hand, und indem er den Körper von den Schultern bis zu den Füßen in geschmeidigen, fast hypnotisierenden Bewegungen wand und schlängelte wie ein Delfin oder Seehund, schwamm er auf dem Rücken durch das Wasser und zog mich hinter sich her.
    Ich redete mir ein, ich müsse mich darauf konzentrieren, nicht zu ertrinken. Während wir uns langsam dem Land näherten, wand und schlängelte sich mein Pelzmantel synchron zu Egils Bewegungen. Mir blieb gar nichts übrig, als mich dem Tanz anzupassen, denn es waren tatsächlich tanzende Bewegungen, die mein magischer Anzug vollführte. Es dauerte nicht lange, da konnte ich Egils Hand loslassen und im gleichen Rhythmus den Kopf in die Wellen tauchen wie er, sogar sein Tempo konnte ich fast halten.
    Anfangs brannte das Salzwasser in meinen Augen, doch nach einer Weile kam ich dahinter, wie es sich wegblinzeln ließ und dass für diesen Zweck meine Wimpern länger und dichter geworden waren. Dann, als schon niedrige Hügel und Felsklippen am Küstenstreifen zu erkennen waren, hätte ich ewig so weiterschwimmen können. Den funkelnden Ozean zu durchpflügen, die Wärme der Sonne im Nacken zu spüren, die Luft so sauber und prickelnd lebendig, das war eindeutig die schönste Art, einen Tag zu verbringen.
    Mir war, als sei ich von einem Extrem ins andere geraten: von jetzt auf gleich aus einem empfindungslosen Dasein im Rollstuhl in ein Leben, in dem ich plötzlich alles gleichzeitig spürte. So begeistert war ich von all diesen neuen Gefühlen, dass Egils Vorsprung immer größer wurde.
    Ich tauchte, ließ mich wieder nach oben treiben, wollte einfach nur all das Sprudeln und Schäumen um meinen Körper spüren. Am liebsten wäre ich ganz tief getaucht und hätte mir den Meeresboden angeschaut. Schwimmen war mir inzwischen so selbstverständlich wie Atmen. Wir schwammen noch eine Stunde so weiter, und in dieser Zeit vergaß ich ganz, dass wir ja offenbar ein Ziel hatten. Umso schockierender fand ich das plötzliche Knirschen von Steinen unter meinem Nacken. Fast so schockierend wie den Moment, als ich ins Meer gefallen war. Das Starre der Felsen hatte etwas Dumpfes, Tödliches an sich, sodass ein Teil von mir am liebsten umgekehrt wäre und sich wieder in die tänzelnde, lebendige, atmende See gestürzt hätte.
    Ich spürte harten Stein unter den Händen und versuchte aufzustehen. Einen Augenblick lang war mir, als seien meine Beine zusammengeklebt, als würde ich sie nur mit größter Mühe voneinander lösen können. Egil starrte mich an und schüttelte vor Verwunderung den Kopf, während ich schwerfällig durch das flache Wasser robbte. Erst jetzt schaute ich an mir hinunter, dorthin, wo meine Beine sein sollten – statt der Beine war da ein Walrossschwanz, plump und glitschig.
    Der Anblick war so erschütternd, dass meine Hände nachgaben und ich mit dem Kopf unter Wasser sank. Jede Stunde brachte neue Schrecken. Kurz darauf spürte ich eine warme Hand an meinem Hals und ich zuckte mit den Augenlidern. Egil, der inzwischen auf den Beinen stand, hob mich aus dem Wasser. Nach einem zweiten Blick auf meine Beine stellte ich fest, dass es wieder menschliche Beine waren. Möglicherweise waren sie durch die magische Kraft meiner

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