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Das Vermaechtnis des Will Wolfkin

Das Vermaechtnis des Will Wolfkin

Titel: Das Vermaechtnis des Will Wolfkin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Knight
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niedergeschlagen vor sich hin. Ich merkte, dass ich ihr mit meiner gedankenlosen Bemerkung ihre einzige Hoffnung genommen hatte.
    »Wenn wir uns gegenseitig erzählen, was wir erlebt haben, Emma, wer weiß, vielleicht fällt uns dann etwas ein, was wir tun könnten«, sagte ich.
    Ich fand, mein Vorschlag hörte sich ziemlich vernünftig und erwachsen an und auch Emma schien dieser Meinung zu sein. Sie legte das goldene Messer weg und ich rückte mit meinem Stuhl näher ans Feuer. Dann erzählte ich ihr alles über meine Begegnung mit Egil und wie er mich nach Langjoskull gebracht hatte. Als ich fertig war, forderte ich sie auf, mir nun auch ihre Geschichte zu erzählen. Von Anfang an.

    »Ich lag bei den Tieren im Pferch und wartete darauf, zu sterben«, sagte Emma, den Blick auf das Lavafeuer gerichtet.
    Die rote Glut spiegelte sich in ihren Augen und ich ließ mich ganz in sie hineinsinken.
    »Wenn im Dorf alle überzeugt sind, dass du sterben wirst, sperren sie dich zu den Tieren, damit die anderen Kinder dich nicht schreien hören. So ist das …«
    Sie klatschte in die Hände, als wolle sie Fladenbrot machen.
    »Wenn deine Zeit da ist, ist sie eben da. Unabänderlich. Ein Mund weniger zu füttern. Das Leben ist hart.«
    Sie erzählte mit melodischer Stimme, und obwohl sie von schrecklichen Dingen sprach, funkelten ihre Augen.
    »Zum Beispiel musste mein einziger Bruder sterben, nur weil er vom Weg abgekommen ist. Ein kleiner Schritt zur Seite und …«
    Emma machte einen Schritt zur Seite, schaute dabei aber ununterbrochen ins Lavafeuer.
    »… und wumm … eine Landmine. Sie lassen Ziegen neben den Wegen grasen, um die Bomben zu zünden, aber die Ziegen haben gelernt, darüberzusteigen. Mein Bruder nicht. Wumm!«
    Ich war schockiert, aber Emma schlug schon wieder die Fäuste zusammen. Anscheinend wollte sie mit dieser Geste sagen, das Leben muss nun mal weitergehen.
    »Im Sudan, jedenfalls dort, wo ich zu Hause bin, ist schon immer Krieg. Wir haben zusammengewohnt, meine Mutter, ich und mein Bruder – bis er auf eine Landmine getreten ist. Mein Vater ist umgekommen, da war ich noch klein …«
    Emma schluckte, als sie vom Tod ihres Vaters sprach, aber sie erzählte weiter.
    »Als dies alles anfing, gab es gerade für ein paar Tage eine Feuerpause. Die Männer waren wieder im Dorf und meine Mutter war gar nicht glücklich darüber. Alle hatten noch ihre Kalaschnikows, und ab und zu, wenn sie zu viel getrunken hatten, schossen sie sich gegenseitig tot; das war nicht so schlimm. Aber nebenbei schossen sie auch die Kühe tot, und das war sehr schlimm, denn Kühe bedeuten in meinem Dorf Leben.«
    Emma legte jetzt den Handrücken an die Stirn und schüttelte dabei ihre Hand, als wäre die plötzlich glühend heiß geworden.
    »Und genau in diesen Tagen war es, dass ich die Hitze bekam«, sagte sie.
    »Was für eine Hitze?«
    Sie wandte mir das Gesicht zu, reckte den Kopf und riss weit die Augen auf.
    »Malaria«, flüsterte sie.
    Emma drehte sich um und strich über das Kopfkissen.
    »Mein ganzer Körper wurde heiß und heißer, bis es im Bett keine einzige kühle Stelle mehr gab. In der zweiten Nacht erschien mir der Geist meines Vaters. Er hatte ein Leopardenfell über den Schultern und sagte, dass bald jemand kommen und mich retten werde.«
    Sie sprang wieder auf und stampfte heftig auf den Boden. Auf dem Kaminsims wackelte eine kleine Vase.
    »Da habe ich mir immer wieder vorgesagt: Ich werde nicht sterben!«, rief sie energisch. »Trotzdem wurde mein Körper immer heißer und ich zitterte am ganzen Leib …«
    Sie streckte die Arme zur Seite und sie fingen an zu zittern. Emmas Geschichte war wie ein Lied und ein Tanz zugleich, und ich schämte mich fast, wie trocken und nüchtern ich erzählt hatte.
    »Der Dorfarzt gab mir Wurzeln in eingedickter Milch gekocht, aber davon wurde mir übel.« Emma tat, als müsse sie sich übergeben. »Nicht lange und sie sagten, mit mir sei es vorbei. Als meine Mutter mich hinaus zum Pferch trug und ins Stroh legte, hat sie nicht einmal geweint.«
    Emma hob die Hand erst über ihren Kopf, dann strich sie sich sanft über die Wange.
    »Meine Mutter hat gesagt, wir würden uns wiedersehen. ›Ach, mein armes Kätzchen‹, hat sie gesagt.«
    Fröstelnd schlang Emma die Arme um ihren Körper.
    »Dann war es auf einmal Nacht. Es war kalt und der Mond schien, da spürte ich kalte Finger auf meinem Rücken.«
    Emma fasste mit der Hand an ihren Nacken, genauso, wie Egil es bei mir

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