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Das Vermaechtnis des Will Wolfkin

Das Vermaechtnis des Will Wolfkin

Titel: Das Vermaechtnis des Will Wolfkin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Knight
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gemacht hatte.
    »Es war wie ein Eiszapfen …«
    »Ja«, flüsterte ich unwillkürlich, als ich an den Eiszapfen an meinem Nacken dachte.
    »Dann sah ich eine kleine Frau mit einem roten Gesicht vor mir stehen. Sie hatte ein grünes Gewand an und lächelte mir zu. Eine Afrikanerin war sie nicht, deshalb dachte ich, sie sei vielleicht eine Nonne. Aber die Frau konnte meine Sprache und sagte, ich solle aufstehen, denn wir hätten eine weite Reise vor uns. Als ich sie fragte, wer sie sei, erzählte sie mir etwas ganz Unglaubliches …«
    Emma griff nach dem goldenen Messer auf ihrem Bett, um sich vor dem zu schützen, was sie nun erzählen wollte.
    »Sie hat gesagt, sie sei Shinti !«, flüsterte Emma.
    »Wer ist Shinti?«, fragte ich.
    »Ich hatte sieben Jahre lang eine Hündin, die ich Shinti nannte. Sie war meine beste Freundin. Sie ist eines Tages einfach in unsere Hütte gekommen und blieb bei uns. Damals war ich noch klein, aber ich liebte Shinti von Anfang an.«
    Emma schwang ihr Messer.
    »Und jetzt kommt diese alte Frau mit ihren kalten Händen und erzählt mir, sie sei Shinti! Da habe ich die Frau mit meinen Blicken durchbohrt, als wären sie Messer wie dieses hier. Kampfbereit. Ich wusste, dass die Gestaltenwandler hinter mir her waren, aber ich wollte mich gegen sie wehren.«
    Emma ließ das Messer wieder aufs Bett fallen, und als sie weitersprach, war ihre Stimme leise und mutlos.
    »Aber ich war zu schwach zum Kämpfen. Die alte Frau, so klein sie war, konnte mich mühelos aufheben und aus dem Dorf tragen. › Hu-huuu, hu-huuu‹ , machten die Eulen, und die Männer hockten zusammen, tranken Bier und feuerten ihre Gewehre ab. Niemand hat uns gesehen …«
    »Es war Vollmond«, sagte ich schnell.
    »Ja, aber trotzdem hat uns keiner gesehen. Die Frau hat gesagt, ein Boot würde für uns bereitliegen und wir müssten an Bord sein, ehe der Mond untergeht.«
    »Anscheinend richten sie sich immer nach dem Mond«, flüsterte ich, aber Emma war ganz in ihrer Geschichte versunken.
    »An einem großen Fluss fanden wir ein Boot, und die Frau deckte mich mit ihrem Schultertuch zu, damit ich schlafen konnte. Sie sagte, sie sei eine Professorin und ihr Name sei Professor Elkkin. Und sie sei eine Hüterin der Künste , hat sie noch gesagt. Ich dachte, dass sie vielleicht Ärztin ist und mir irgendeine Arznei gegeben hat. Sie käme aus Island, hat sie gesagt. Ich fand, das klang nach Eis und Kälte, und weil ich so lange unter der Hitze in meinem Körper gelitten hatte, gefiel mir allein schon das Wort. Das Boot hatte keinen Motor, aber Professor Elkkin sagte, sie würde uns zu unserem Bestimmungsort rudern.«
    Emma breitete die Arme aus und machte langsame Ruderbewegungen.
    »Auf dem Tuch waren blaue Kreise, wie Augen. Wenn der Wind kalt vom Fluss her wehte, wurde das Tuch dicker und hielt mich immer warm.«
    »Ist die Frau den ganzen weiten Weg bis Island gerudert?«, fragte ich. Emma schüttelte den Kopf.
    »Als ich aufwachte, waren wir in Ägypten, schon weit weg vom Sudan. Dort ließen wir das Ruderboot liegen und versteckten uns auf einem Frachtschiff. Ich war immer noch so schwach, dass mich die Frau tragen musste. Manchmal dachte ich schon, ich sei tot. Manchmal hoffte ich, ich wäre tot. Aber dann wieder war das Zusammensein mit Professor Elkkin genauso, wie es damals mit Shinti war, und das machte mich froh. Und Schiffe habe ich gesehen! Mit eigenen Augen habe ich Schiffe gesehen, so hoch wie der Himmel …«
    Emma schwenkte die Arme zur Decke, als sähe sie ein Schiff über den Himmel segeln.
    »Die Männer auf dem Frachtschiff waren andauernd beschäftigt und keiner von ihnen schien Professor Elkkin oder mich zu sehen. Eines Morgens war in der Nähe des Schiffes ein großer Berg aus Eis. Scharen von Vögeln krächzten und schrien. Ich war inzwischen überzeugt, dass Professor Elkkin es gut meinte, auch wenn sie eine Hexe war. Sie hatte große Angst, die Vögel könnten rauskriegen, wer ich war. Da fasste sie mich bei der Hand, wir sprangen ins Wasser und schwammen an Land. Mein Tuch hielt mich warm und half mir beim Schwimmen, obwohl ich noch nie im Leben geschwommen war.«
    Emma machte sich klein und blickte auf ihre nackten Füße.
    »So zu schwimmen war ein gutes Gefühl. Das Wasser wegzustoßen und dabei die Kraft in den Füßen zu spüren …«
    Sie stockte.
    »Du bist selbst zu einem Meereswesen geworden«, sagte ich, und sie nickte.
    »Da wusste ich, dass ich nun auch eine Hexe werden würde. Und …

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