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Das Vermaechtnis des Will Wolfkin

Das Vermaechtnis des Will Wolfkin

Titel: Das Vermaechtnis des Will Wolfkin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Knight
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hattest, musst du doch krank gewesen sein?«
    »Ja. Ich war krank.«
    »Und was hast du gehabt?«
    Ich war schon drauf und dran, sie anzuschwindeln. Schließlich wollte ich sie beeindrucken und keinesfalls zugeben, dass ich früher nichts anderes als ein bewegungsloses Ding in einem Rollstuhl war. Aber aus irgendeinem Grund erschien mir eine Lüge Emma gegenüber … gemein.
    »Ich war gelähmt«, sagte ich. »Am ganzen Körper. Ich konnte kein Glied bewegen. Nur blinzeln und schlucken. Ich habe früher in einem Kloster bei Nonnen gelebt. Aber dann …«
    Mir versagte die Stimme, weil ich einfach nicht wusste, wo ich mit der Geschichte der beiden letzten Tage beginnen sollte. Emma nickte, als verstehe sie mich vollkommen. Sie wechselte das Thema.
    »Nonnen waren bei uns auch einmal«, sagte sie. »In den Flüchtlingslagern. Sie gaben uns zu essen. Manche von ihnen haben wir sogar Mama genannt.«
    »Du warst ein Flüchtling?«
    Sie nickte.
    »Vor welchem Krieg bist du geflohen?«
    »Vor allen«, sagte sie.
    Emma erhob sich und schloss die Tür. Dann kam sie zum Kamin und wärmte sich die Hände. Sie war wirklich erschreckend dünn und ihre Haut hatte eine so graue Färbung, dass sie wie ausgedörrtes Papier wirkte. Wir hätten kaum unterschiedlicher sein können, aber dass wir hier ein höchst ungewöhnliches Erlebnis miteinander teilten, war uns beiden inzwischen klar. Da ich nicht wusste, wie lange wir allein sein würden, drängte ich darauf, dass wir uns jetzt so schnell wie möglich gegenseitig unsere Geschichten erzählen sollten, um so vielleicht zu verstehen, was hier vor sich ging.
    »Mir haben sie gesagt, dass irgendein Testament verlesen werden soll und dass ich unbedingt dabei sein müsse«, sagte ich. »Es gehe um ein großes Erbe, haben sie behauptet.«
    Emma starrte in die rote Glut des Feuers.
    »Das haben sie mir auch gesagt«, sagte sie. »Und dass ich meinen Bruder kennenlernen werde.«
    Wir sahen einander an und schauten schnell wieder zur Seite.
    »Hat Egil dich hierhergebracht?«
    »Wer ist Egil?«
    »Ein Junge.«
    »Nein, mich hat eine alte Frau hergebracht. Sie hat mir eine Geschichte erzählt …«
    »Was für eine Geschichte?«
    »Sie ist zu böse, zu schrecklich.«
    Emma schüttelte heftig den Kopf und sprach nicht weiter. Nach einer Weile drehte sie sich unvermittelt um und schlug ihre Fäuste aneinander.
    »Dir ist doch klar, dass wir von Hexen entführt worden sind?«
    Ihre Stimme klang entschieden, und doch blickte sie fast scheu zu Boden, als sie das Wort »Hexe« aussprach.
    »Ich glaube nicht an Hexen«, sagte ich.
    »Dann glaubst du nicht, was du mit eigenen Augen siehst.«
    »Sie behaupten, sie seien Fel …«
    »Das ist nur ein anderes Wort für die gleiche Sache. Die alte Frau, die mich hergebracht hat, hat gesagt …«
    Sie unterbrach sich und kniff die Augen zu vor der Ungeheuerlichkeit der ganzen Sache.
    »Bitte, Emma! Was hat sie gesagt? Wir müssen einander alles erzählen.«
    Wieder schlug Emma die Fäuste aneinander.
    »Die alte Frau, die mich herbrachte, hat gesagt, sie sei sieben Jahre lang ein … ein Hund gewesen!«
    Sie sah mich an, halbwegs in der Erwartung, dass ich darüber lachen würde. Aber ich nickte nur.
    »Und Egil hat gesagt, er sei sieben Jahre lang eine Katze gewesen«, sagte ich.
    »Siehst du«, sagte sie flüsternd. »Gestaltenwandler sind das!«
    Wahrscheinlich sah sie an meinem Gesichtsausdruck, dass ich keine Ahnung hatte, was ein Gestaltenwandler sein sollte.
    »Gestaltenwandler sind Hexen, die sich in Tiere verwandeln können. Die schlimmste Sorte Hexen überhaupt. In meinem Land werden sie mit Stöcken erschlagen und verbrannt, wenn man sie erwischt …«
    Einen Augenblick sah sie mich prüfend an, dann kniete sie vor ihrem Bett nieder und hob die dünne Matratze an. Sie brachte ein kleines goldenes Messer zum Vorschein.
    »Das habe ich auf der Straße gefunden, als sie mich hierherbrachten«, flüsterte sie. »Sie wissen nicht, dass ich es habe. Aber bei der erstbesten Gelegenheit werde ich damit kämpfen.«
    Das kleine Messer zitterte in ihrer mageren Hand. Es schien mir eine ziemlich schwache Waffe gegen eine ganze Welt von Feinden. Als Emma meine skeptische Miene sah, senkte sie langsam die Hand mit dem Messer.
    »Ich weiß nicht, ob ein Messer viel nützen wird«, sagte ich vorsichtig. »Diese Fel scheinen sehr zahlreich zu sein und alle nur erdenklichen Arten von Waffen zu besitzen.«
    Emma legte das Messer in den Schoß und blickte

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