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Das Vermächtnis von Erdsee

Das Vermächtnis von Erdsee

Titel: Das Vermächtnis von Erdsee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula K. Leguin
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Geath nach O. Ich allein bin letzte Nacht dem
    Ertrinken entgangen, als ein Zauberwind uns überfiel.« Dann war er still. Der Gedanke an das Schiff und die Männer nahm seinen Geist gefangen, wie das Meer das Schiff auf genommen hatte. Er rang nach Luft, als ob er dem Ertrinken entronnen wäre.
    »Wie bist du hierher gekommen?«
    »Als Vogel, als Seeschwalbe. Ist dies die Insel Rok?«
    »Hast du dich verwandelt?«
    Er nickte.
    »In wessen Diensten stehst du?«, fragte die kleinere und jüngere der beiden Frauen; sie sprach zum ersten Mal. Sie hatte ein scharfes, hartes Gesicht mit langen schwarzen Augenbrauen.
    »Ich habe keinen Herrn.«
    »Was hast du in O zu tun?«
    »Vor Jahren in Havnor stand ich in Diensten. Meine Befreier haben mir von einem Ort erzählt, wo es keine Herren gibt, wo man sich an die Regierungszeit von Serriadh erinnert und wo die Kunst in Ehren gehalten wird. Ich habe nach diesem Ort gesucht, nach dieser Insel, sieben Jahre lang.«
    »Wer hat dir davon erzählt?«
    »Frauen von der Hand.«
    »Jeder kann eine Faust machen und die Handfläche zeigen«, sagte die große Frau freundlich. »Doch nicht jeder kann nach Rok fliegen, schwimmen oder segeln oder in irgendeiner Weise hierher kommen. Also müssen wir dich fragen, was dich hergeführt hat.«
    Medra antwortete nicht gleich. »Glück«, sagte er, »das einem lang gehegten Wunsch entgegenkam. Nicht Können. Kein Wissen. Ich glaube, ich bin an den Ort gelangt, den ich gesucht habe, aber ich weiß es nicht. Ich glaube, Ihr könntet die Leute sein, von denen man mir erzählt hat, aber ich weiß es nicht. Ich glaube, die Bäume, die ich vom Hügel aus gesehen habe, bergen ein großes Geheimnis, aber ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass ich mich, seit ich meinen Fuß auf den Hügel gesetzt habe, fühle wie als Kind, wenn ich die Taten von Enlad singen hörte. Ich bin umgeben von Wundern.«
    Der weißhaarige Mann sah die beiden Frauen an. Andere Leute waren näher gekommen und redeten leise miteinander.
    »Wenn du hier bleiben könntest, was tätest du?«, fragte ihn die Frau mit den schwarzen Brauen.
    »Ich kann Schiffe bauen oder sie reparieren und segeln. Ich kann Dinge finden, auf der Erde und unterirdisch. Ich kann Wetter machen, wenn Ihr das brauchen könnt. Und ich würde die Kunst lernen, bei jedem, der mich unterrichten will.«
    »Was willst du lernen?«, fragte die größere Frau mit ihrer sanften Stimme.
    Medra fühlte, dass von dieser Frage der Rest seines Lebens abhing, im Guten wie im Bösen. Wieder stand er ein Weilchen still da. Er hob an zu sprechen und ließ es wieder sein und schließlich sprach er doch. »Ich konnte eine... eine, die mich gerettet hat, nicht retten«, sagte er. »Mein Wissen reichte nicht aus, sie zu befreien. Ich weiß nichts. Wenn Ihr wisst, wie man frei ist, dann bitte ich Euch: Bringt es mir bei!«
    »Frei!«, sagte die große Frau und ihre Stimme knallte wie ein Peitschenhieb. Dann sah sie ihre Begleiter an und nach einer Weile lächelte sie ein wenig. Sie wandte sich wieder an Medra und sagte: »Wir sind Gefangene, daher studieren wir die Freiheit. Du bist durch die Mauern unseres Gefängnisses hierher gelangt. Auf der Suche nach Freiheit, sagst du. Aber du solltest wissen, dass es noch schwieriger sein kann, Rok zu verlassen, als herzukommen. Es ist ein Gefängnis im Gefängnis und einiges davon haben wir uns selbst gebaut.« Sie sah die anderen an. »Was sagt ihr?«, fragte sie in die Runde.
    Sie sagten wenig, schienen miteinander zu beratschlagen und einander beizupflichten, fast völlig im Stillen.
    Schließlich sah die kleinere Frau mit den wilden Augen Medra an. »Bleib, wenn du willst«, sagte sie.
    »Ich will.«
    »Wie sollen wir dich nennen?«
    »Seeschwalbe«, sagte er; und so wurde er genannt.
    Was er auf Rok fand, war zugleich mehr und weniger als die sagenhafte Hoffnung, nach der er so lange gesucht hatte. Die Insel Rok lag, so wurde ihm erzählt, im Herzen der Erdsee. Das erste Land, das Segoy am Anfang der Zeiten aus den Wassern erhob, war das schimmernde Ea in der nörlichen See, und als zweites kam Rok. Der grüne Hügel, der Rokkogel, reichte tiefer hinab als alle Inseln. Die Bäume, die er gesehen hatte, die mal an einer, dann wieder an einer anderen Stelle der Insel zu wachsen schienen, waren die ältesten Bäume der Welt, Quelle und Mittelpunkt aller Magie.
    »Wenn der Hain abgeholzt würde, wäre es mit der Magie zu Ende. Die Wurzeln dieser Bäume sind die Wurzeln des Wissens. Die

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