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Das Vermächtnis von Erdsee

Das Vermächtnis von Erdsee

Titel: Das Vermächtnis von Erdsee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula K. Leguin
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erwischt«, sagte der alte Mann und schaute auf den lehmverschmierten, entkräfteten Körper hinunter. Und setzte mit Bedauern hinzu: »Zu spät.« Er bückte sich, um zu sehen, ob er ihn aufheben oder ihn mitschleifen konnte, und fühlte die schwache Wärme des Lebens. »Du bist zäh«, sagte er. »Komm, wach auf. Los, los, Otter, wach auf.«
    Er erkannte Hund, obwohl er sich nicht aufsetzen und kaum sprechen konnte. Der alte Mann legte ihm seine Jacke um die Schultern und gab ihm Wasser aus seiner Flasche zu trinken. Dann hockte er sich neben ihn, den Rücken an den riesigen Stamm der Eiche gelehnt, und starrte eine Weile in den Wald. Es war später Morgen. Heiß, die Sommersonne brach in tausend Schattierungen von Grün durch die Blätter. Ein Eichhörnchen schimpfte hoch oben in der Eiche und ein Eichelhäher antwortete ihm. Hund kratzte sich im Nacken und seufzte.
    »Der Zauberer ist auf der falschen Spur, wie üblich«, sagte er schließlich. »Meinte, du seist nach Rok gegangen und er könnte dich dort fangen. Ich hab nichts gesagt.«
    Er sah den Mann an, den er nur als Otter kannte.
    »Du bist da hineingegangen, in das Loch, wie der alte Zauberer, stimmt's? Hast du ihn gefunden?«
    Medra nickte.
    »Hnhm«, machte Hund, ein kurzes, grunzendes Lachen. »Du findest, was du suchst, nicht wahr? Wie ich.« Er sah, dass sein Gefährte verzweifelt war, und sagte: »Ich bring dich hier weg. Hol unten im Dorf einen Fuhrmann, wenn du wieder bei Kräften bist. Hör zu. Mach dir keine Sorgen. Ich hab dich nicht all diese Jahr gejagt, um dich Früh auszuliefem. So wie ich dich Gelluk ausgeliefert habe. Das tut mir Leid. Ich habe über alles nachgedacht, was ich dir damals gesagt habe über Magier, die Zusammenhalten sollten. Und für wen wir arbeiten. Sah mir nicht so aus, als hätte ich eine andere Wahl. Aber da ich dir ein Unrecht getan habe, dachte ich mir: Sollte ich dir je wieder begegnen, werde ich dir einen Gefallen tun, wenn ich kann. Wie ein Finder für den anderen, nicht wahr?«
    Otters Atem ging schwer. Hund legte seine Hand einen Augenblick lang auf Otters Hand und sagte: »Mach dir keine Sorgen.« Er stand auf. »Bleib ganz ruhig«, fügte er hinzu.
    Er fand einen Fuhrmann, der sie nach Endweg hinunter mitnehmen wollte. Otters Mutter und Schwester waren bei Vettern untergekommen, während sie ihr abgebranntes Haus wieder aufbauten, so gut es ging. Sie empfingen ihn mit ungläubiger Freude. Da sie nicht von Hunds Verbindung zum Kriegsherrn und seinem Magier wussten, behandelten sie ihn wie einen von ihnen, einen guten Mann, der Otter halbtot im Wald gefunden und nach Hause gebracht hatte. Ein weiser Mann, sagte Otters Mutter Rose, bestimmt ein weiser Mann. Für einen solchen Mann war nichts zu gut.
    Otters Heilung ging nur langsam voran. Der Knocheneinrenker tat sein Möglichstes für den gebrochenen Arm und die verletzte Hüfte, die weise Frau pflegte die Risse und Schürfwunden an Händen, Kopf und Knien, die Mutter brachte ihm alle Köstlichkeiten aus dem Garten und von Beerensträuchern; aber er lag immer noch so matt und hinfällig da, wie Hund ihn gebracht hatte. Es sei kein Herz in ihm, sagte die weise Frau von Endweg. Es sei anderswo, verzehrt von Kummer, Angst oder Scham.
    »Aber wo ist es denn?«, fragte Hund.
    Nach langem Schweigen sagte Otter: »Auf Rok.«
    »Wo der alte Früh mit seiner Flotte hingefahren ist. Ich verstehe. Hast Freunde dort. Nun, ich weiß, dass eines der Schiffe zurück ist, denn ich habe einen von der Mannschaft gesehen, unten in der Schenke. Ich gehe hin und hör mich um. Finde heraus, ob sie nach Rok gekommen sind und was dort geschehen ist. Ich kann dir allerdings jetzt schon sagen, dass der alte Früh spät nach Haus kommt. Hmhm, hmhm«, machte er, von seinem eigenen Witz amüsiert. »Spät nach Haus kommt«, wiederholte er und stand auf. Er sah Otter an, an dem nicht viel zu sehen war. »Bleib ganz ruhig«, sagte er und
    ging—
    Er blieb mehrere Tage weg. Als er wiederkam, in einem Pferdewagen, war er so stattlich anzusehen, dass Otters Schwester hereingelaufen kam, um ihm zu berichten: »Hund hat eine Schlacht oder ein Vermögen gewonnen! Er kommt in einem Stadtwagen dahergefahren hinter einem Stadtross, wie ein Prinz!«
    Hund trat gleich hinter ihr ein. »Nun«, sagte er, »als ich in die Stadt kam, bin ich als Erstes zum Palast hinaufgegangen, um die neuesten Neuigkeiten zu hören, und was sehe ich? Ich sehe den alten Piratenkönig auf seinen Beinen stehen und Befehle

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