Das Vermächtnis von Thrandor - Der Auserwählte
sich und die dichten schneeweißen Augenbrauen bildeten eine Linie. Dann öffnete Akhdar die Augen und aus der Spitze des Stabes schoss eine Welle magischer Kraft. Sie breitete sich aus, durchdrang alles, was sich im Lager befand, und hüllte es in eine riesige schimmernde Blase ein. Das tosende Gewitter trommelte von außen gegen die magische Schutzwand.
Akhdar senkte den Stab und lächelte Calvyn freundlich an. »Am besten legst du dich jetzt hin und schläfst noch ein bisschen. Bis ich den Schutzschild morgen früh aufhebe, sind wir hier völlig sicher.«
»Ja, Meister«, erwiderte Calvyn kleinlaut und strich sich das nasse Haar aus der Stirn. »Ich wollte nur helfen.«
»Sehr lobenswert, da bin ich mir sicher«, erwiderte Akhdar, »aber völlig überflüssig.«
Akhdar verschwand wieder im Zelt, während Calvyn sich den Umhang von den Schultern nahm und ihn ausschüttelte. Es war sinnlos. Der Umhang sowie alles andere, was er anhatte, triefte. Calvyn war nass bis auf die Knochen und fror. Wenn er nicht krank werden wollte, blieb ihm nichts anderes übrig, als trockene Kleider aus dem Rucksack zu holen und sich umzuziehen.
Calvyn wrang seinen Umhang aus, um ihn anschließend zum Trocknen aufzuhängen, doch plötzlich hielt er inne. Lomand beobachtete ihn mit einem so merkwürdig verwunderten Gesichtsausdruck.
»Was ist, Lomand? Stehe ich Euch im Weg?«, fragte Calvyn verwirrt.
»Nein, gar nicht.« Der Magier kratzte sich im Nacken. »Ich habe mich nur gefragt, was du da tust.«
»Wie sieht es denn aus? Ich hänge meine Sachen zum Trocknen …«
Kaum waren die Worte heraus, fiel ihm auf, dass Lomands Kleider völlig trocken waren. Dabei war der Magier noch wenige Minuten zuvor ebenso durchnässt gewesen wie er selbst. Natürlich – Magie!
»Also gut, Lomand, würdet Ihr mir bitte zeigen, wie es geht?«, seufzte Calvyn, der sich nun schon zum zweiten Mal zum Narren gemacht hatte.
»Du weißt es also wirklich nicht?«, erwiderte der Hüne
überrascht. »Ich dachte, du seist den anderen Studenten, was magische Formeln angeht, haushoch überlegen.«
»Auf manchen Gebieten vielleicht.« Calvyn schluckte seinen Ärger nur mit Mühe herunter. »Auf anderen dagegen … na ja, da würde mein Pferd wahrscheinlich besser abschneiden als ich.«
Lomand lachte, hielt sich aber gleich erschrocken den Mund zu, als ihm einfiel, dass andere schliefen.
»Ich erledige das für dich«, erbot er sich. »Die Formel bringe ich dir morgen unterwegs bei, wenn du willst.«
»Vielen Dank, Lomand. Und wenn du noch ein paar nützliche magische Tricks kennst, würde ich die auch gern lernen. Die Meister sind so mit der Reise beschäftigt, dass sie gar nicht daran denken, mit meiner Ausbildung fortzufahren.«
Lomand wedelte mit einer seiner schaufelgroßen Hände, woraufhin Calvyn hinter sich Wasser auf den Boden platschen hörte. Unwillkürlich tastete er seine Kleidung ab, obwohl er es bereits wusste: Alles war trocken.
»Ein oder zwei Kniffe kann ich dir wohl noch beibringen«, erklärte Lomand lächelnd. »Und die Meister werden sicher nichts dagegen haben.«
Calvyn grinste und blickte dann auf, als ein Blitz die Kuppel aus magischer Kraft traf und über sie hinwegzuckte, als suche er nach einem Eingang.
»Keine Angst«, beruhigte Lomand ihn. »Die Magie zieht die Blitze an, aber sie können uns nichts anhaben. Komm, gehen wir schlafen.«
Lomand öffnete den Zelteingang und ließ Calvyn hinein. Leise schlich er sich zurück zu seinem Schlafplatz. Einige der Meister hatten das Gewitter komplett verschlafen, andere waren offensichtlich wach, versuchten aber wieder einzuschlafen. Calvyn wickelte sich in seine Decken und streckte sich entspannt aus.
»Was war denn los?«, hörte er Jenna neben sich flüstern.
»Morgen«, erwiderte er leise. »Ich erzähle es dir morgen.«
Als es hell wurde, erinnerte nichts an das nächtliche Gewitter. Der Himmel war strahlend blau und nur mit ein paar Schönwetterwolken betupft. Calvyn und Jenna beobachteten fasziniert, wie Akhdar mit einer Gegenformel die Blase aus magischer Energie auflöste, und bald war die Reisegesellschaft wieder unterwegs.
Calvyn und Jenna bildeten mit den zwei Packpferden an der Leine wie immer die Nachhut. Die fünf Großmagier ritten schwatzend und über vielerlei Themen zankend voraus. Calvyn hatte es zu Beginn der Reise recht interessant und lehrreich gefunden, ihren Streitereien zu lauschen, doch mittlerweile kamen ihm die Magier vor wie kleine Kinder, die
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