Das Vermächtnis von Thrandor - Der Auserwählte
andere als glücklich aus, sagte aber nichts mehr dazu. Einen Augenblick blieb sie reglos vor Bek stehen, dann überraschte sie alle Umstehenden, indem sie ihn umarmte.
»Leb wohl, Bek. Ich finde zwar, du hättest etwas Besseres verdient, als dein Leben hier am Ende der Welt am Fuß eines einsamen Berges zu verbringen, aber verlass dich drauf, ich werde dich, so oft es geht, besuchen und dich zu einer Revanche herausfordern.«
»Danke, Sergeantin, darauf freue ich mich jetzt schon«, erwiderte Bek, gerührt von diesem ungewohnten öffentlichen Gefühlsausbruch.
Auch die anderen verabschiedeten sich alle nacheinander von ihm, bis nur noch Eloise übrig war. Bek blickte der schwarzhaarigen Schönheit wehmütig in die Augen, die sich mit Tränen füllten. Keiner der beiden vermochte seine Gefühle in Worte auszudrücken und so hielten sie sich einfach lange umschlungen. Als sie sich trennten, weinten sie, brachten aber auch nicht mehr als ein »Leb wohl!« über die Lippen.
Die Reisegesellschaft saß auf und machte sich unter Winken und Abschiedsrufen auf den Weg nach Norden.
»Gute Reise!« Bek winkte ein letztes Mal und trat dann zu Pallim, der unter dem Felsentor auf ihn gewartet hatte.
»Das wäre erledigt. Also, hättest du Lust auf einen Übungskampf?« Pallim lächelte ihn freundschaftlich an.
»Jederzeit«, erwiderte Bek grinsend und zog mit einer schwungvollen Geste sein Schwert.
Mehrere Wochen später weilten Calvyn, Jenna und die Magier noch immer als Gäste im Palast von Mantor, wo sie dem König Bericht erstattet hatten. Calvyn hatte zwar ein schlechtes Gewissen, weil er König Malo anlügen musste, hielt sich aber an den Schwur, den er Perdimonn und den anderen Hütern gegenüber abgelegt hatte.
Wenn Jenna schon vor der Reise zum Thron der Götter zärtlich gewesen war, so galt das jetzt erst recht und Calvyn genoss ihre Gesellschaft in der Abgeschiedenheit seiner Gemächer. Dort verbrachten die beiden eine Menge Zeit und schmiedeten Zukunftspläne. Schon bald würden sie sich gemeinsam auf den Weg nach Terilla machen. Calvyn hatte Jenna außer Hörweite der Meister alles über das Leben an der Akademie erzählt. Da er nie bei den weiblichen Adepten gewesen war, wusste er nicht, ob sie irgendwie anders behandelt wurden oder wie häufig sie Gelegenheit haben würden, sich zu treffen. Diese Fragen würden sie auf der langen Rückreise mit dem Meistern besprechen. Bis dahin genossen sie das süße Nichtstun im Palast.
Die Reisevorbereitungen wurden bereits in die Wege geleitet. Perdimonn und die anderen Hüter waren in der Woche zuvor abgereist, und Derra, Fesha und Eloise wollten Calvyn, Jenna und die Magier noch bis nach Nordthrandor begleiten.
Calvyn und Jenna hatten es sich wieder einmal auf dem großen Sofa in Calvyns Suite bequem gemacht, als es an der Tür klopfte. Es war Veldan mit einer Nachricht vom König.
»Sir Calvyn, der König bittet Euch, in den Thronsaal zu kommen. Soeben ist eine Abordnung aus Shandar eingetroffen, angeblich Botschafter des neuen Kaisers. König Malo möchte, dass Ihr prüft, ob womöglich Magier oder Zauberer unter ihnen sind.«
»Selbstverständlich, Veldan. Ich komme sofort.«
Der König wartete bereits auf ihn. Baron Anton war auch anwesend. Beide wirkten beunruhigt.
»Ah, Calvyn! Danke, dass du so schnell gekommen bist. Veldan, lass mich kurz mit Sir Calvyn reden und schicke mir in zwei Minuten die shandesische Abordnung herein.«
Veldan machte eine Verbeugung, zog sich zurück und schloss die Tür hinter sich.
»Ich habe dich rufen lassen, weil dieser Besuch aus Shandar höchst ungewöhnlich ist. Wir haben noch nie eine weibliche Botschafterin aus Shandar empfangen, und ich möchte sichergehen, dass es sich nicht wieder um einen Trick handelt.«
»Ich helfe, wo ich kann, Eure Majestät.«
»Das weiß ich, Calvyn. Ich vertraue auf dein Urteil. Unsere Spione im Norden haben uns die merkwürdigsten Dinge berichtet. Sie sind ziemlich sicher, dass es auf dem Thron von Shandar einen Wechsel gegeben hat, aber keiner weiß, welche Beziehung der neue Kaiser zu seinen Nachbarn anstrebt. Wenn wir Glück haben, erfahren wir heute mehr. Vielleicht kannst du herausfinden, ob es irgendwelche Anzeichen für Magie oder Zauberei gibt.«
»Selbstverständlich, Eure Majestät.«
In diesem Moment ertönte ein lautes Klopfen, und Veldan trat ein, gefolgt von einer prächtig gekleideten jungen Frau und drei unbewaffneten Männern, die jeweils ein schmuckvolles
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