Das Vermächtnis von Thrandor - Die silberne Klinge
Jez und kniete neben ihm nieder. Vorsichtig nahm er seine Hand. Sie war so kalt wie der Stein, auf dem sein Freund lag. Eine Träne lief ihm über die Wange, dann noch eine, und Bek begann unwillkürlich, über seinen toten Freund zu weinen.
»Das wird Serrius büßen, Jez«, flüsterte er, und sein Schwur hallte durch den kahlen Raum. »Ich verspreche, dass dein Tod nicht ungesühnt bleibt, Jez. Serrius wird den Tag verfluchen, an dem er beschlossen hat, gegen dich zu kämpfen, bevor du noch von deiner Verletzung genesen warst. Und ich werde auch Calvyn büßen lassen. Er hat die Untat begangen, uns hierher zu schicken. Ich dachte, er sei mein Freund – unser Freund. Sein Verrat an dieser Freundschaft wird ihm zum Verhängnis werden. Wenn ich mit Serrius fertig bin, gehe ich fort und suche Calvyn. Bei Tarmin und allen Göttern, ich schwöre, ich werde nicht eher ruhen, als bis an beiden Vergeltung geübt wurde.«
Bek legte Jez’ Hand sanft zurück an den Körper. Sein Gesichtsausdruck war außergewöhnlich friedvoll für jemanden, der eines gewaltsamen Todes gestorben war. In seinem Gesicht war kein Schmerz zu entdecken, und wenn man von dem bläulichen Schimmer auf seiner Haut und besonders seinen Lippen absah, hätte man fast meinen können, Jez würde einfach nur schlafen.
Bek stand auf und murmelte letzte Abschiedsworte, dann kehrte er zu Hammar zurück, der an der Tür auf ihn gewartet hatte. Der Waffenmeister erwiderte Beks traurigen Blick mit Mitgefühl, dann wandte er sich um und führte ihn über die Treppen zurück in das Ganglabyrinth, das die Arena durchzog. Bek folgte ihm mit verbissener Miene und sagte kein Wort. Im Geiste aber ging er immer wieder den Eid durch, den er soeben geschworen hatte.
Als sie Beks Unterkunft erreichten, öffnete Hammar die
Tür, ließ Bek hinein, tat, als wolle er sie schließen, und zögerte dann doch.
»Er wird dich töten, Bek. Du bist nicht gut genug, um gegen Serrius anzutreten. Ich verstehe deine Wut. Ich habe mich auch schon einmal in dieser Situation befunden, in der du jetzt bist. Aber ich warne dich: Wenn du gegen Serrius kämpfst, wirst du sterben.«
»Danke, Hammar. Ich schätze deinen Rat, aber ich habe einen Schwur geleistet und ich werde mein Versprechen halten. Bei den nächsten Spielen fordere ich Serrius heraus.«
»Und wenn er nicht gegen dich antreten will? Er ist schließlich nicht dazu verpflichtet«, wandte Hammar ein.
»Dann werde ich kämpfen, bis ich einen so hohen Rang erlangt habe, dass ich ihn zwingen kann, gegen mich anzutreten«, erwiderte Bek mit ausdrucksloser Stimme.
Hammar spitzte die Lippen und mit einem kurzen anerkennenden Lächeln schloss er die Tür und verriegelte sie. Als der Bolzen laut scheppernd einrastete, klang das für Bek nicht mehr nach Gefängnis. Für Bek war die Arena ein Zuhause geworden, in dem er ausharren würde, bis Rache geübt worden war.
Derra, Fesha und Eloise saßen auf halber Höhe auf der südlichen Tribüne der Arena und sahen mit einer Mischung aus Entsetzen und Faszination zu, wie die Spiele voranschritten. Die ersten Kämpfe zwischen den ausgebildeten Kämpfern und den Gefangenen brachten keine Spannung, nur einen Haufen Tote. Fesha raunte Derra nach den ersten Minuten zu, dass sie womöglich schon zu spät kamen.
»Das mag sein. Aber wir bleiben hier, bis wir es genau wissen. Bek und Jez sind gute Kämpfer. Sie würden sich besser schlagen als diese armen Seelen«, hatte Derra zurückgeflüstert.
Sie wagten nicht, lauter zu sprechen, um nicht die Aufmerksamkeit der sie umgebenden Menge auf sich zu ziehen. »Haltet Augen und Ohren offen. Alles, was wir über diesen Ort hier erfahren, kann von Nutzen sein.«
Als Jez neben Serrius in die Arena trat, stieß Fesha die Sergeantin ganz unnötigerweise mit dem Ellbogen an, denn auch sie hatte sofort erkannt, wer da den Kampfplatz betreten hatte.
Eloise wandte sich an den Mann hinter ihr und erklärte, sie seien nicht aus Shandrim und verstünden nicht, warum die Menge in solchen Aufruhr geriet. Es fiel ihr schwer, ihr Entsetzen zu verbergen, als sie erfuhr, welchen Ruf Serrius hatte. Doch der Mann sah sie sowieso nicht genauer an. Sein Blick und der Blick aller im Publikum waren auf die beiden Kämpfer auf dem staubigen Sandplatz gerichtet.
»Wenn dieser Serrius der beste Kämpfer in Shandrim ist, warum tritt er dann gegen jemanden an, der offenbar verletzt ist?«, hatte Derra zwischen zusammengebissenen Zähnen hervorgestoßen.
Der Kennerblick
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