Das verplante Paradies
sie die Gegenwart des anderen wie eine Strafe.
Ihre Worte blieben oberflächlich; ihr Schweigen war gespannt. Die Zeit, die sie eigentlich darauf verwenden sollten, Simeon zu beobachten, schien spurlos vorüberzugehen.
Sie hatten aufgehört, das Kliff zu besuchen – einfach weil sie Angst hatten, Julie dort zu sehen. Julie, wie sie gehorsam wie eine Hündin zu Füßen ihres Herrn saß.
Statt dessen gingen sie regelmäßig zum Yawning Room, denn sie wußten, daß Julie hier allein sein würde.
Als Latimer Fortschritte verlangte, erklärten sie, sie seien an der Arbeit. Als er bemerkte, daß sie nicht mehr zum Kliff hinauf gingen, behaupteten sie, ein mehrschichtiges Bild gewinnen zu wollen, in dem sie mit den Leuten redeten, die mit Simeon in Kontakt gestanden hatten oder noch standen.
In Wirklichkeit war ihre ganze Aufmerksamkeit auf Julie gerichtet. Jeder von ihnen wußte, daß irgendwann eine Phase erreicht werden mußte, in der sie unter sich ausmachen müßten, wer aussteigen mußte und wer weitermachen sollte.
Im schmerzlichen Gefühl ihrer hochgemuten Ritterschaft war ihnen völlig klar, daß sie Julie auf jeden Fall eine Entscheidung ersparen müßten.
Und mit dieser Erkenntnis, über die sie sich mit wenigen zufälligen Sätzen und langanhaltendem, launischem Schweigen allmählich verständigt hatten, fanden Henny und Zak endlich auch wieder ein Thema, über das sie miteinander reden konnten.
„Ich behaupte keineswegs, daß wir die Sache zu ernst nehmen und uns erst wieder abkühlen müßten“, sagte Henny. Sie saßen an einem Tisch im Schatten spanischer Pinien. Zikaden schnarrten ihre unermüdlichen Lieder unsichtbar in den Ästen über ihren Köpfen, ein Geräusch, das jetzt, Ende August, allmählich verstummte, da immer mehr der winzigen Insektenkörper, geschwächt von ihren hektischen Dauersoli, platzten und ohne Spur verschwanden.
„Um so besser“, sagte Zak. „Ich hatte schon Sorge, du wolltest mich dazu überreden, eine Pause zur Abkühlung einzulegen.“ Sie blieben ehrlich, ein gutes Zeichen, das darauf hindeutete, daß keiner einen endgültigen Bruch wollte.
Nachdem sie sich einmal zum Reden entschlossen hatten, empfanden sie auch geheime Sympathien für einander. Sie wünschten beide, daß ihr Verhältnis einfa cher wäre, und beide wußten, daß das unmöglich war.
„Je schneller wir es hinter uns bringen, um so besser“, sagte Henny. „Wie wollen wir es machen? Knobeln?“
„Unser alter Freund Miguel hätte schon einen passenden Spruch.“
„Ich weiß nicht. Unser alter Freund Miguel hat sich in diesen Ferien nicht gerade als übermäßig nützlich erwiesen. Wie wäre es mit Kopf und Adler?“
„Ist das denn stark genug? Ich meine, würdest du dich denn durch so eine billige Entscheidung gebunden fühlen? Ich jedenfalls nicht.“
„Was schlägst du vor? Einen Kampf auf Leben und Tod?“
Zak lachte. „Das wäre das andere Extrem. Irgendwie müssen wir zu einer Entscheidung kommen, die für beide akzeptabel ist, aber nicht so … endgültig … , daß wir uns anschließend hassen.“
Henny schloß die Augen und lehnte sich zurück. Die Sonne, die durch die Pinien sickerte, legte ein Schattenmuster über sein Gesicht. Er sah lächerlich jung aus.
Zak betrachtete das Gesicht. Ein Messer drehte sich in seinem Magen um. Ich liebe diesen Burschen wie einen Bruder, dachte er. Wie kann ich …? Wie können wir …?
Henny öffnete die Augen, um den Grund für die Pause zu suchen. Zak senkte den Blick. Er hoffte, nicht rot zu werden aus Scham über sein Gefühl. Aber Hen ny sagte nichts. In seinen Eingeweiden steckte dasselbe Messer.
„Glaubst du, eine solche Entscheidung kann es geben?“ fragte er.
„Nein.“
„Wir jedenfalls werden sie nicht fällen können.“
„Was willst du damit sagen?“
„Wir brauchen Hilfe von außen.“
„Von wem? Julie? Joe? … Latimer?“
„Von Simeon.“
„Simeon! Aber –“
„Genau. Latimer scheidet aus. Julie soll nicht hineingezogen werden, haben wir beschlossen. Joe … wenn er uns überhaupt ernst nehmen würde, wird uns höchstens raten, uns keine Sorgen zu machen. Es bleibt also nur Simeon. Simeon ist ideal, denn ihm sind wir beide völlig gleichgültig. Das einzige, was er über uns wissen kann, ist unsere Verbindung zu Julie. Ich weiß nicht, was sie ihm über uns erzählt hat. Ich möchte sogar annehmen, daß sie gar nicht viel erzählt hat, aus Angst, damit endgültig ihre Chancen zu verderben.“
„Warte …
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