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Das verplante Paradies

Das verplante Paradies

Titel: Das verplante Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Tate
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hoffen, daß der Sieger im Schmerz über den Tod des Freundes nicht zu der Erkenntnis kommt, die Sühne müsse dein Leben sein.
    Die beiden widerstreitenden Stimmen setzten sich immer weiter fort, während Julie im Zickzack über den leer werdenden Strand ging.
     
    Als das Meer wie ein Relief auf silbernem Sand lag, machte sich Henny auf den Weg, um die ganze Nacht spazieren zu gehen.
    Er wußte nicht, wie weit er gehen würde. Seine Armbanduhr würde sein Schrittmesser sein. Er wollte die halbe Nacht für den Hinweg und die andere Hälfte für den Rückweg nehmen. Er wußte, daß er nicht würde schlafen können, und er verschwendete seine Zeit nicht mit dem Versuch. Er war sich im klaren darüber, daß sich ein ganzer Hexentanz von würgenden Zweifeln, eine ganze apokalyptische Vision vor ihm ausbreiten würde, wenn er die Augen schlösse. So fiel es ihm leicht, wach zu bleiben und zu gehen.
    Er würde nicht müde werden. Alle Nerven und Sinne waren schon gestimmt für den Morgen. So wie ehemals ein General auf dem Schlachtfeld zwischen seinen Außenposten in den Obstgärten von Shiloh hin- und hergegangen sein mochte, so ging jetzt Henny von einem Schatten zum nächsten, von einem Felsen zum anderen über den Strand.
    Haltet Ausschau nach mir. Seid meine Freunde. Sei mit mir, Seele der Wellen.
    Salz brannte in seinen Augen. Er spürte, wie ihm Tränen über die Wangen liefen. Ungeheure Einsamkeit überfiel ihn wie ein Krampf in der Brust. Heule nur. Heul dich frei.
    Er fühlte einen Schmerz in der Schulter. Seine Arme schlugen wie Windmühlenflügel, als er einen Fels brocken suchte, auf den er seine Fäuste schlagen konn te, um das aufkommende Leid zu betäuben.
    Dann stürzte ihm der Sand entgegen. Lange Zeit lag er mit dem Gesicht in den kühlenden Körnchen. Nehmt meine Tränen auf. Zieht sie aus mir heraus. Ich bitte euch.
    Er mußte eingeschlafen sein, denn als er sich umdrehte, um den Himmel zu sehen, stand der Mond schon niedrig. Er schnitt nur noch eine einzelne helle Spur über Wasser und Sand. Eine Gestalt bewegte sich in dieser Mondbahn, vom Meer kommend zu ihm hin.
    In seinem fiebrigen Zustand, versuchte er sie beim Namen zu nennen.
    „Julie?“ rief er. „Tomorrow Julie?“
    „Nein.“ Die Gestalt war zu wuchtig. Die Haare glänzten. „Es ist Zak.“
    „Zak.“ Sofort stand Henny auf den Beinen und wischte die verirrten Sandkörner von seinem Körper.
    „Was hast du gemacht?“
    „Ich – habe nur so dagelegen und nachgedacht.“
    „Henny, laß uns ehrlich sein. Das ist vielleicht unse re letzte Chance. Ich habe mit dem Meer gesprochen.“
    Henny lachte.
    „Das ist nicht zum Lachen“, sagte Zak wütend. „Nur keine Sorge, ich drehe nicht durch.“
    „Zak … Zak … Ich habe nicht über dich gelacht. Ich habe nur selbst schon Konversation mit Sand und Felsen gehabt. Und auch mit dem Meer, was das betrifft. Ich habe es gebeten, mit mir zu sein. Was hast du …“
    „Du wolltest, daß es dir hilft zu gewinnen.“
    „Nein, ich –“
    „Was denn sonst Henny? Weißt du, worum ich es gebeten habe? Daß es dich in Ruhe läßt. Daß es dir nichts tut. Siehst du, ich … ich mache mir Gedanken …“ er schwieg. Er hielt sein Gesicht im Schatten.
    „Laß es mich erklären“, sagte Henny zart. „Ich habe an mich gedacht, weil ich glaube, daß du morgen – heute – gewinnst. Ist es egoistisch, daß man überleben möchte?“ Zak sagte nichts. Die bewußte Pause ärgerte Henny. „Verdammt nochmal, wenn du das Meer um Schutz für mich gebeten hast, dann hast du doch auch gedacht, daß du gewinnst. Du brauchst mich doch nicht dazu, für dich zu bitten. Du bist doch so schon genug von dir überzeugt.“
    „Das ist doch alles kindisch“, sagte Zak mit einer flachen Stimme. „Was ist denn los mit uns? Haben wir den Verstand verloren, daß wir mit dem Wasser und den Felsen reden? Komm, laß uns von diesem dämlichen Strand verschwinden.“
    Henny fröstelte. Plötzlich spürte er die Temperatur. „Wo gehen wir hin?“
    „In den Bungalow zurück. Ich habe da noch eine Flasche Tequila.“
    Sie bewegten sich über den sachte abfallenden Strand zur Straße hinauf.
    „Wie lange sind wir jetzt schon hier, Zak?“ Hennys Gedanken waren zurück in die vergammelte Bar in Paso Robles gewandert, als die Freude über den neuen Geschmack die früheren Differenzen verdrängt hatte.
    „Das muß in meinem vorletzten Leben gewesen sein“, sagte Zak, „als die beiden Dons mit ihrer rostigen Rosinante in

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