Das verplante Paradies
schienen. Er behielt die Worte, die ihm auf der Zunge lagen für sich, befahl ihnen bequem zu stehen.
„Hören Sie Joe, wenn Sie irgend etwas sagen wollen, dann sagen Sie es, um Himmelswillen. Aber bitte servieren Sie mir nicht dieses Mondgesicht ‚für Kunden’. Ich habe schon eine ganze Menge Schnaps bei Ihnen getrunken. Ich glaube, das gibt mir Anspruch auf ein bißchen Ehrlichkeit.“
„Das wird Ihnen was nützen, wenn ich meine ehrliche Meinung sage.“
„Was soll denn das nun wieder heißen?“
Auf der Bucht tummelten sich Hovercrafts, Trimarans und Außenbordboote in einer Wolke von Lärm, der in Simeons Hirn kumulierte. Aber er wartete nur auf ein bestimmtes Geräusch, das er mit Sicherheit aus dem ganzen Tumult heraushören würde.
„Wir könnten überhaupt mehr Ehrlichkeit brauchen hier“, sagte Joe mit einem Hauch von Anklage in der Stimme. „Ich … und Sie … und auch diese Julie … die beiden Professoren. Wir sagen alle etwas anders, als wir meinen, und denken noch etwas drittes. Mann! Da komme ich nicht mehr mit … Am Ende der Saison höre ich auf.“
„Wie lange sind Sie hier gewesen?“
„Viel zu lange. Ich begreife die Leute nicht mehr. Und wenn sie sich mit all dem Schnaps, den man ihnen verkauft, nur noch verrückter machen und einen selbst noch dazu, dann ist es höchste Zeit, daß der Barkeeper sich verabschiedet.“
Simeon, der in seinem Spannungszustand intolerant wurde, konnte Joe nicht länger so weiterreden lassen.
„Joe“, sagte er mit überdeutlicher Betonung. „Ich habe das Gefühl, Sie denken etwas, was ich wissen sollte.“
„Du meine Güte. Sie wollen es wissen ? Sie stecken doch dahinter !“
„Aha. Wir reden also über das Duell. Hören Sie, Joe … Ich habe die Leute nicht nach da draußen getrieben. Ich fahre das Boot nicht. Sie haben etwas beizulegen … unter sich, wegen Julie. Ich habe mit ihnen geredet. Ansonsten geht es mich nichts an.“
„Wie können Sie das sagen? Sie wissen doch, warum sie es tun? Ich meine – Sie wissen, warum das Mädchen sie bis zu diesem Punkt gebracht hat?“
„Sie wird schon ihre Gründe haben, nehme ich an.“
„ Sie sind der Grund. Sie hungert nach ein bißchen Zuneigung. Von Ihnen kriegt sie es nicht. Von den beiden Burschen, die es ihr geben könnten, will sie es nicht. Deshalb hat sie sie dazu gebracht, irgendwelche großartigen, edlen Dinge zu tun, damit sie sehen kann, ob ihr das irgendwelche Befriedigung verschafft. Glauben Sie, es macht ihr etwas aus, wenn einer von beiden sich verletzt?“
„Aber sie hat doch sicher –“
„Hören Sie, Sie sind der Mann, der angeblich das zweite Gesicht hat. Das haben Sie wohl nicht gesehen? Das können Sie mir doch nicht erzählen. Vielleicht haben Sie in Ihrer hinterlistigen Art gedacht, es wäre gar nicht schlecht, wenn Julie diese Burschen fertigmacht, weil sie Ihnen die Aufmerksamkeit des Mädchens entziehen.“
„Das ist verrückt. Glauben Sie, ich würde den ganzen Tag auf der verdammten Schaukel sitzen, wenn ich eigentlich etwas ganz anderes will?“
Aber das war eine schwache Entschuldigung – und er wußte, daß es eine war. Sein Vorschlag für Henny und Zak hatte tiefere Ursachen gehabt. Schon Sekunden, nachdem sie gegangen waren, hatte die Schaukel – hatte sein Gewissen – es ihm gesagt. Warum sollte er es jetzt leugnen? Um Joe zu beruhigen. Um sich Vorwürfe zu ersparen.
„Und das Schlimmste ist – sie wissen es.“
„ Was tun sie?“
„Sie wissen Bescheid. Sie sind doch nicht dumm. Vielleicht bildet Julie sich ein, sie machen diese Sache heute morgen um ihretwillen – und vielleicht spielt das auch eine Rolle, denn sie mögen sie wirklich sehr. Aber im Grunde tun sie es nur, weil sie keinen Ausweg mehr für sich sehen. Sie haben so lange versucht, ehrenhaft zu leben, daß sie jetzt, wo sie bemerkt haben, daß es Zeitverschwendung ist, nur noch ehrenhaft Selbstmord begehen können. Himmel, was weiß ich schon über Stolz und Ehre und Würde, aber das ist es, was diese Burschen …“
Joe brach ab. Er atmete schwer. Voller Ehrfurcht lauschte er dem Nachhall dieser erstaunlichen Kaskade von Worten und Einsichten. Für einen Augenblick lang war er sogar stolz auf sich.
Simeon war steif und starr geworden, unter der Sonnenbräune war er blaß. Sein Mund war offen.
„Das ist … tragisch“, sagte er leise.
Sein Magen krampfte sich schmerzhaft zusammen. Er stieß sein Glas zurück – das Joe am Rand der Theke gerade noch fing – und
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