Das verräterische Tonband
aus, als ob er demnächst zu sich
kommen würde, was mir nur recht war; und so ruhte ich mich ein wenig aus. In
diesem Augenblick begann auch mein von Natur aus schöpferischer Geist zu
improvisieren; es begann mit der logischen Überlegung, daß, wenn ein Gipsarm mit so wenig Anstrengung abgebrochen werden konnte,
auch andere Gipsvorsprünge...
Etwa fünf Minuten später
öffnete ich ein paar Zentimeter weit die Tür zum Hochzeitszimmer und brummte in
— wie ich hoffte — passabler Imitation von Leroys Stimme: »Komm ’rein, Baby !« Dann trat ich hinter die Tür und wartete. Sie schwang
gleich darauf auf, wobei sie mich völlig verbarg, und dann sah ich die Faber
ein paar Schritte weit in den Baderaum treten, bevor sie schlagartig, wie vom
Blitz getroffen, stehenblieb.
Das Resultat meiner
künstlerischen Inspiration bewirkte eine noch dramatischere Reaktion, als ich
gehofft hatte. Einen Augenblick lang stand Susanne Faber da und starrte auf das
vertiefte Bad, dann stieß sie einen durchdringenden Schrei aus und sank
ohnmächtig auf dem Mosaikboden zusammen. Es war ein einmaliges Bild, dachte ich
bescheiden. Da war Leroys Gesicht, das Kinn auf den Rand der Wanne gestützt,
mit glasigen Augen ins Leere starrend. Und dahinter — in genau der richtigen
anatomischen Position — ragte die stolze Kurve eine Pferdeschwanzes aus den Schaumwogen.
Ich hob die Faber auf, legte
sie über meine Schulter, trug sie zurück ins Hochzeitszimmer und ließ sie in
voller Länge auf das Prunkbett plumpsen. Darüber, daß Leroy das Bewußtsein wiedererlangen könnte, machte ich mir keine
Gedanken. In einer der Kommoden im Baderaum hatte sich eine Rolle Klebeband
befunden, und deshalb waren seine Knöchel nun fest zusammengeklebt, ebenso wie
seine Handgelenke hinter seinem Rücken. Vielleicht würde sich also dieser
Gipsschwanz ein wenig unbehaglich anfühlen, wenn er aufwachte, aber das mußte
er eben ertragen. Zum Kuckuck, dachte ich, es hatte den eigentlichen Silen
nicht gestört, was brauchte also dieser lächerliche Leroy zu quieken?
Die langen Wimpern bebten ein
wenig und flogen dann nach oben, um ein paar klare blaue Augen zu enthüllen,
die mich eine Sekunde lang mit gelassener Ruhe betrachteten, um sich dann mit
einem Ausdruck des Entsetzens zu füllen.
»Leroy ?« kreischte sie. »Was haben Sie mit ihm gemacht? Dieser — dieser Pferdeschwanz!«
Sie schloß die Augen wieder, und ihr Kopf sank auf die Kissen zurück.
»Leroy geht es ausgezeichnet«,
sagte ich. »Alles, was er braucht, ist ein wenig behutsame chirurgische
Behandlung, und er ist wieder so gut wie neu — nehme ich wenigstens an .«
»Sie herzlose Bestie!« Sie
öffnete weit die Augen und starrte mich finster an. »Wissen Sie, was ich mit
Ihnen tun möchte? Ich möchte...«
Ich vertropfte überall Wasser auf den kostbaren pulverblauen Bettüberzug; meine Nieren
protestierten aufs schmerzlichste gegen die barsche Behandlung, die man ihnen hatte
angedeihen lassen, und meine Rippen fühlten sich bereits wie Hamburger Steak
an. Ich war nicht in der Laune, die Faberschen Phantasievorstellungen zu tolerieren.
»Susanne, Baby«, sagte ich
sanft, »machen Sie den Mund zu, solange Sie noch Zähne haben, über denen Sie
ihn zumachen können, verstanden ?«
Ein Ausdruck plötzlicher
panischer Angst tauchte in den babyblauen Augen auf, und sie schloß fest den
Mund.
»Zuerst möchte ich wissen, wo
Leroy seine Anzüge hat«, sagte ich.
»Im Zimmer nebenan«, sagte sie
mit verkrampfter Stimme. »Rick, Sie werden doch nicht... ?«
»Ein Zahn nach dem anderen —
verlassen Sie sich drauf«, knurrte ich. »Ich werde mich umziehen und komme dann
zurück. Wenn ich dahinterkomme, daß Sie etwas unternommen haben, um Leroy aus
dieser Badewanne zu helfen, werden Sie den Platz mit ihm wechseln. Verstehen
Sie? Und zwar einschließlich des Pferdeschwanzes.«
»Ich bleibe hier, ich
verspreche es«, wimmerte sie.
»Und wenn ich zurückkomme,
möchte ich die Geschichte von dem Tonband hören, über die Sie vorhin gesprochen
haben«, sagte ich. »Und ich möchte wissen, wie Sie darauf kommen, ich sei es
gewesen, der es Ihnen geschickt hat, okay ?«
Die sagenhafte Fabersche Figur zuckte, und in einer verflossenen Ära, als
ich noch ganze Nieren und intakte Rippen gehabt hatte, hätte ich das recht
einladend gefunden. Nun ließ es mich kalt wie ein acht Tage altes Beefsteak.
Ich stand vom Bett auf und trat in das nebenan liegende Zimmer des
Muskelpakets. Es gab dort drei
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