Das verrueckte Schwein pfeift in der Pfanne
traurig den Kopf.
"In deiner Rachlust hast du alles andere um dich herum verdrängt und begingst dabei einen schlimmen Fehler. Deine Aufgabe war es, Charlotte glücklich zu machen, erinnerst du dich auch warum?"
Mit diesen Worten wechselt John den Sender und Paul starrt auf eine Szene, die er inzwischen so gut wie verdrängt hatte.
Wie aus einer anderen Welt erblickt er den Paul der Vergangenheit - wie dieser mit dem Handy am Ohr unkontrolliert durch die dunkle Nacht brettert . Der überhöhte Alkoholspiegel ist deutlich am glasigen Schimmer seiner Augen abzulesen, mit hoher Stimme lallt er in den Hörer: "Okay, Hr. Kreisig. ich kümmere mich um das Projekt." Pauls schwungvolles Wendemanöver lässt dem ihm entgegenkommenden Auto keine Chance und so muss dieser nun zum zweiten Mal hilflos mit ansehen, wie Charlottes lebloser Körper aus den Trümmern ihres Wagens gezogen wird.
Das Bild erlischt und Tränen der Verzweiflung rinnen über Pauls Gesicht.
"Warum zeigst du mir das?", ruft er aufgebracht. "Ich habe doch dafür gezahlt!"
John betrachtet ihn ruhig.
"Ich wollte dich an den Grund deines Zwischenstopps erinnern. Dein Recht auf den Himmel hast du verwirkt, als du betrunken einem Menschen das Leben nahmst. Trotzdem bekamst du eine zweite Chance, dir durch eine gute Tat das Paradies zu verdienen."
Paul nickt verstört, daran erinnert er sich gut.
"Und was lag näher, als Charlotte bei ihrem Neuanfang unter die Arme zu greifen", murmelt er betreten.
"Nun, es ist nicht leicht die Menschen glücklich zu machen", knurrt John. "Erst recht dann nicht, wenn diese nicht die Spur einer Ahnung haben, was wahres Glück überhaupt bedeutet. Dennoch hast du deine Sache ganz gut gemacht, bis …"
Paul wird kleiner und kleiner auf seinem Stuhl. Bei der Erinnerung an die letzten Tage fühlt er sich schuldig.
"… du dich für dich selbst entschieden und deine Bedürfnisse in den Vordergrund gestellt hast", fährt John unerbittlich fort. Dabei ist die Trennung von Kim ein Glücksfall für dich, weißt du das eigentlich?"
Paul schnappt nach Luft.
"Wie kannst du nur so etwas sagen? Das geht entschieden zu weit!"
"Ach ja, und wie erklärst du dir dein inzwischen leer geräumtes Bankkonto und all die Liebschaften, die Kim neben dir hatte? Hast du bei all den teuren Klamotten deines arbeitslosen Lieblings denn keinen Verdacht geschöpft?"
Mit diesen Worten erscheinen abermals Bilder auf Johns Fernseher, schreckliche und unfassbare Bilder.
Paul schreit auf: "Das glaube ich nicht, das kann nicht wahr sein!"
"Glaube es ruhig", spricht John mit ruhiger Stimme. "Paul, du bist einem Schwindel aufgesessen, alles was Kim wollte, war dein Geld. Und all deine Intrigen waren für die Katz, aber das ist jetzt zweitrangig."
Paul schluckt, als sich John erhebt und drohend den Finger auf ihr richtet.
"Du hast versagt, dein Auftrag ist beendet!"
Wie jedes Mal, wenn etwas sehr, sehr Schlimmes bevorsteht, rast die Zeit, als gäbe es kein Halten mehr. Physikalische Gesetze verlieren ihre Gültigkeit und der Tag schrumpft in sich zusammen, wie ein Wollpullover bei neunzig Grad in der Waschmaschine. Dieses kosmische Ungleichgewicht fällt den meisten Menschen gar nicht auf, da das Universum mit den verbleibenden Stunden kurzerhand unangenehme und missliche Lagen, wie etwa ein Zahnarztbesuch oder die mündliche Französischprüfung, verlängert. Leider kann ich diese Theorie nicht beweisen, aber damit hatten bekanntlich viele Wissenschaftler zu Beginn ihre Probleme.
Vor fünf Minuten war es noch Donnerstag und nun zittere ich mit meinem morgendlichen Kaffee auf dem Balkon der heutigen Eröffnungsfeier entgegen und wäge ab, ob ich springen soll. Ich will mich natürlich nicht umbringen, aber ein gebrochenes Bein ist momentan meine einzige Rettung vor der bevorstehenden Veranstaltung und meiner damit einhergehenden öffentlichen Hinrichtung. Die Lösung ist schlichtweg genial, niemand wäre dafür verantwortlich, wenn mich ein kräftiger Windstoß plötzlich über die Brüstung wehen würde. Und die Chancen dafür stehen gut, das Geländer ist recht niedrig und ich habe durch meinen derzeitigen Stress bestimmt an Gewicht verloren.
Vorsichtig trete ich näher an den Rand und schätze die Entfernung zum Boden ab. Meine Bewegung wird dabei genauestens von Kasimir beobachtet, der es sich für die Privatvorstellung auf einem der Gartenstühle bequem gemacht hat. Verstört suche ich seinen Blick, schaue aber nur in ein aufforderndes, ja nahezu befürwortendes
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