Das verrueckte Schwein pfeift in der Pfanne
Fellgesicht. Wenn der Kater jetzt noch langsam mit dem Kopf nickt, lernt das Vieh fliegen, das schwöre ich!
Seufzend wende ich mich ab, die olle Mieze kann ja nichts für meine Lage. In diese Suppe habe ich mich ganz allein verstrickt. Womöglich gelingt es mir einen Kompromiss zu finden und so meine Steinigung zu verhindern.
Ich schließe meine Augen. In meiner Vision sehe ich die Investoren, Geschäftsführer und Projektleiter auf weich gepolsterten Stühlen in der ersten Reihe sitzen. Es wird geplaudert, ein wenig gelacht und immer schön Sekt geschlürft. Am Rande der Veranstaltung steht Hagen in einem Pulk von wütenden Demonstranten. Hier wird gebrüllt, gepöbelt und allenfalls Bier gebechert. Eines ist klar, ich kann mich weder zu der einen Gruppe noch zu der anderen gesellen, das wäre zu offensichtlich. Aber ich könnte doch in der Mitte? Oder ganz hinten …?
Langsam entferne ich mich vom Balkongelände. Die Chancen, dass mein Plan funktioniert, stehen schlecht bis ganz schlecht, aber er ist mein letzter Strohhalm. Außerdem würde mich nicht einmal ein Ganzkörpergips vor den Hyänen bewahren, die sich meine Freundinnen nennen.
Bei dem Gedanken an die drei breitet sich leise Enttäuschung in mir aus. Unbewusst habe ich in den vergangenen Tagen auf einen Anruf, eine verständnisvolle Geste oder tröstende Worte von ihnen gewartet. Auch eine Entschuldigung wäre angebracht gewesen, letztlich haben mich die Mädels erst in diese schwierige Lage gebracht. Aber nichts da, kein Mucks war zu hören. Nach der emotionalen Klatsche von Kordula habe ich es vermieden, Peggys oder Elkes Nummer zu wählen. Warum auch, ich hätte ihnen sowieso nicht den wahren Grund für mein Versteckspiel nennen können. Jedenfalls nicht, ohne anschließend in ein Zeugenschutzprogramm einzutreten.
Energisch schüttle ich die düsteren Träume ab und schlurfe ins Bad. Mit zitternder Hand versuche ich meinen neuen apricotfarbenen Lidschatten gleichmäßig zu verteilen, während ich mit Grauen an den weiteren Verlauf des Tages denke. Mir fällt das Gespräch mit einer ehemaligen Kollegin ein, die mir in feuchtfröhlicher Stunde ihren Trick verriet, mit solchen Ängsten umzugehen.
"Du musst dich einfach nur fragen, was dir im schlimmsten Fall passieren kann. Am Ende wirst du sehen, dass die Situation gar nicht so schrecklich ist. Du wirst ja nicht sterben oder so."
Damals habe ich nur genickt und mir eine Packung Ohropax gewünscht, von solchem Psychogequatsche bekomme ich Kopfschmerzen. Doch angesichts der widrigen Umstände setze ich mich nun brav auf den Wannenrand und frage leise in den Raum: "Was kann mir im schlimmsten Fall passieren?"
Hmm, mal überlegen, ich spiele die Szene vor meinem inneren Auge ab:
Es ist zehn Uhr morgens, alle wichtigen Personen haben inzwischen vor der Bühne Platz genommen, die Demonstranten im Hintergrund drehen richtig auf und bereiten Molotowcocktails vor. Ich verstecke mich im Getümmel, nachdem ich Hagen durch eine spektakuläre Aktion abgeschüttelt habe. Dann passiert es, Herr Brunner ruft das gesamte Team für eine Danksagung auf die Bühne und das Publikum klatscht. Aber halt, eine fehlt! Alles dreht sich suchend um, wo steckt denn Frau Wiese? Ich werde kleiner und kleiner und versuche mich hinter dem nächstbesten Busch zu verstecken. Auf dem Weg dorthin stolpere ich über ein auf dem Boden liegendes Kabel und werde entdeckt. Unter lautem Getöse zerrt mich die Meute auf das Podest, während mich Hagen mit offenem Mund und einem Brandsatz in der Hand fassungslos anstarrt. Er braucht einen Moment, um zu verstehen, dann wird ihm alles klar. Kalte Wut blitzt in seinen Augen auf, als er zum Wurf ausholt …
Erschrocken springe ich auf. Von wegen, du wirst ja nicht sterben oder so.
Scheiße, ich werde sterben!
Mit feuchten Augen blicke ich auf die Uhr, es bleiben mir noch fünf Minuten, bis Hagen mich abholt. Kurz überlege ich, ihm alles zu beichten, verwerfe die Idee jedoch sofort. In der Öffentlichkeit hat Hagen bestimmt größere Hemmungen, mich zu erwürgen. Ich könnte ihm den Anschlag nicht einmal verübeln, streng genommen habe ich jede seiner Aktionen hinterhältig ausspioniert und sabotiert. Aber deshalb bin ich noch lange kein schlechter Mensch. Ich hatte schließlich sogar Mitleid mit Hagen, wenn er wie ein Häufchen Elend immer öfter seine Arbeit in Frage stellte.
Es klingelt an der Tür und ich lasse erschrocken meine Schminktasche fallen. Ohne die, auf den Boden kullernden,
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