Das verrueckte Schwein pfeift in der Pfanne
Füßen scharrt. Diese Vorfreude habe ich schon oft bei ihm gesehen, gleich darf er auf die Bühne und seine One-Man-Show abziehen.
"Alles klar bei dir da hinten?"
Mist, die Ökotante hatte ich völlig vergessen. Ich trete aus dem Dickicht.
"Alles okay, mir ist nur grad total schwindelig. Vielleicht bleibe ich noch ein bisschen hier", versuche ich mein Glück.
"Dat kenn ick, is de Uffrejung."
Obwohl sie heftig mit dem Kopf nickt, bewegen sich ihre verwurstelten Locken keinen Millimeter.
"ls wohl deine erste Demo? Aber keene Sorje, ick hab da wat."
Mit verschwörerischem Blick schiebt Ella mich zurück durch die Menschentraube und kramt in ihrem Jutebeutel.
"Alles okay bei dir?", flüstert Hagen besorgt in mein Ohr und ich schüttle langsam den Kopf.
"Mir ist ein wenig unwohl, eventuell sollte ich nach Hau…"
"So, da ham wa et ja", brüllt die Nervensäge in unser Ohr. "Da nimmste jetzt maln kräftijen Schluck und dann jehts dir janz schnell wieder besser."
Mit diesen Worten drückt Ella mir eine Flasche mit undefinierbarem Inhalt in die Hand. Ich zögere. Auf der Bühne beendet Herr Bergmann seine Ansprache und mein Chef ergreift voller Eifer das Mikrofon. Brechreiz steigt in mir auf und ich nehme hastig einen großen Schluck.
Wow! Ich habe keinen blassen Schimmer was sich in dem Gefäß befindet, aber seine Wirkung ist der Wahnsinn. Von einer Sekunde auf die andere fühle ich mich schwerelos und von all meinen Problemen befreit. Sowie von der restlichen irdischen Welt. Gelassen lausche ich den Worten auf der Empore, während eine merkwürdige Leichtigkeit mich durchflutet. All meine Ängste sind wie weggeblasen, und ich frage mich, wie ich auch nur ansatzweise glauben konnte, dass unser Team gesondert erwähnt, geschweige denn nach vorne geholt werden würde? Das ergibt doch gar keinen Sinn.
Grinsend beobachtet Hagen wie ich die Flasche ein weiteres Mal ansetze.
"Besser?", fragt er verschmitzt und ich nicke selig.
Es gibt ein altes Sprichwort, das heißt: "Das Glück ist mit den Kindern und den Betrunkenen." Nun, ich kann jetzt aus eigener Erfahrung sagen, das stimmt nicht! Vergnügt schaue ich zum Podium, als Hagen mir plötzlich einen runden Gegenstand zusteckt.
"Die Überraschung", erklärt er mit funkelnden Augen, während ich sprachlos auf das Ei in meiner rechten Hand glotze. Mit wachsendem Unbehagen beobachte ich, wie sich die Masse um uns herum bewaffnet.
"Was habt ihr denn vor?", frage ich tonlos, obwohl ich die Antwort bereits kenne.
Hagens Augen blitzen wütend und er zischt: "Jetzt bekommen die Herren, was sie verdienen, diese faulen Eier!"
Die Meute jubelt zustimmend.
Ich muss weg.
Im Hintergrund höre ich Herrn Kreutzers Stimme rufen: "… und nicht zuletzt unsere tüchtige Charlotte Wiese."
Applaus brandet auf und ich starre erschrocken auf die Bühne, wo sich unser Team ordentlich in Reih und Glied aufstellt. Oh nein, mein Albtraum wird tatsächlich Realität, das darf nicht wahr sein! Herr Kreutzer schaut unruhig in die Runde, anschließend suchend in das Gedränge.
"Frau Charlotte Wiese bitte!"
Seine Stimme klingt forsch und ein wenig ungehalten, und ich trinke erneut aus der Wunderflasche. Wie in Trance registriere ich, wie sich unser Haufen langsam in Richtung Podium schiebt, dann geht alles wahnsinnig schnell.
Hagen brüllt: "Jetzt!", und sämtliche Eier werden auf die Bühne geworfen. Meine dort stehenden Kollegen versuchen verzweifelt und erfolglos den stinkenden Geschossen auszuweichen, während Herr Kreutzer nur wie ein versteinertes Erdmännchen die Stellung hält.
Der Tiefpunkt des Tages war damit aber noch nicht erreicht. Von Gruppendynamik und Drogen beflügelt, verliere ich jegliche Kontrolle über meinen Körper und trete mutig aus der Menge. Das Letzte was ich sehe, sind die vor Entsetzen geweiteten Augen meines Vorgesetzten, dann verlässt das Ei meine Hand.
Unsanfte Ohrfeigen regnen abwechselnd auf meine linke und rechte Gesichtshälfte. Hört auf, ich bin wach!, möchte ich schreien, aber kein Laut kommt über meine Lippen. Stattdessen liege ich regungslos auf dem Boden und registriere wie ein Außenstehender das Geschehen um mich herum.
"Können Sie mich hören? Frau Wiese?! Können Sie mich verstehen?"
Die Worte dringen wie durch Watte an mein Ohr.
Klar kann ich Sie hören, Sie geben sich ja nicht unbedingt Mühe leise zu sein!, denke ich wütend, bleibe aber weiterhin stumm. Eine übermächtige Starre hat sich auf meinen Körper gelegt und macht es mir unmöglich, mich zu
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