Das verrueckte Schwein pfeift in der Pfanne
geht, bestärkt Paul. Er will, ja, er muss es sich dieses Mal selbst beweisen.
Das grelle Weiß seiner Umgebung fängt langsam an weh zu tun und Paul reibt sich schwerfällig die braunen Augen. Anschließend betrachtet er lange seine Hände, das Denken fällt ihm heute unglaublich schwer. Ausgerechnet jetzt, wo sein Verstand gefragt und er dringend auf ein paar seiner genialen Ideen angewiesen ist. Womöglich sollte er auf John hören, der ihm geraten hatte, zunächst einmal anzukommen und sich einen Tag Ruhe zu gönnen. Es war ein weiter Weg bis hierher und Pauls Gemütszustand belastet ihn mehr, als er es sich eingestehen will. Frische Luft bewirkt in Zeiten solch geistiger Tiefpunkte oft Wunder und Paul überlegt einen Augenblick hinauszugehen.
Aber wohin soll er gehen? Zu Hause wäre er in den Park und um den See gelaufen, doch hier in der Fremde kennt er sich nicht aus. Durch die vergangenen Erlebnisse fühlt er sich zudem unsicher und geschwächt und so stakt Paul zunächst unentschlossen durch das große Zimmer. Vor dem kleinen Sekretär an der rechten Wand stockt sein Gang. Paul ist es gewohnt an einem großen hölzernen Schreibtisch zu arbeiten, das gibt ihm ein Gefühl von Halt und Stabilität. Wie es aussieht, wird er jedoch auf seine Gewohnheiten verzichten müssen, bis John ihm ein Büro nach seinen Vorstellungen organisiert hat.
Die restliche Einrichtung des Raumes erinnert Paul sehr an das Hotelzimmer seines letzten Urlaubes in der Toskana, John hat sich sichtlich bemüht, ein wenig Vertrautheit fernab der Heimat zu schaffen.
Die Bilder der Vergangenheit jagen Paul ein Stich ins Herz und er erschrickt über den heftigen Schmerz. Damals war die Welt noch in Ordnung, Kim und er, er und Kim. Es war eine der schönsten Reisen seines Lebens. Alles schien so richtig zu sein, wie für die Ewigkeit bestimmt. Aber diese Zeit liegt lange zurück. Kim hatte recht, sie hätten mehr Zeit miteinander verbringen sollen. Job und Erfolg sind kein Ersatz für eine liebevolle Beziehung. Geld ist kein unterhaltsamer Tischnachbar bei einem romantischen Essen, Ruhm nimmt dich nicht tröstend in die Arme und ein anerkennendes Schulzerklopfen liegt auch nicht morgens neben dir im Bett, zärtlich verknittert und unglaublich süß.
Paul runzelt die Stirn. Andererseits hatte Kim seine Karriere auch stetig vorangetrieben und gemeint, er sei für Größeres bestimmt. An manchen Tagen suchte Paul nur Trost in Kims Armen und erntete stattdessen nichts als anspornende Sprüche. Er wollte doch nur, dass sein Schatz stolz auf ihn ist, war das so ein Fehler?
Außerdem hätte Kim auch mit ihm reden können, anstatt sich in die Arme des erstbesten Gigolos zu werfen. Klar, er hat Fehler gemacht, aber ist dies Grund genug, gleich die gesamte Beziehung zu riskieren?
Paul schüttelt verständnislos den Kopf, er muss endlich mit diesen Überlegungen aufhören. Jede der Fragen tut so weh, dass er kaum noch atmen kann. Und will. Es wird entschieden mehr Zeit vergehen müssen, bevor sich Paul an die Verarbeitung der Trennung wagen kann. Zu groß ist seine Angst, an der Gewissheit zu Grunde zu gehen und einfach tot umzufallen.
Schwungvoll wendet er sich ab, vorerst muss er all seine Kraft für dieses Projekt einsetzen, wenn er nicht wieder jemand enttäuschen möchte. Entschlossen greift Paul seinen Mantel und zieht die Tür hinter sich ins Schloss. Mit schlaksigen Schritten tritt er vor das Haus und streift ziellos durch die Straßen. Mit jedem Meter gewinnt die fremde Welt mehr an Vertrautheit. Die Hektik auf den Straßen, die Menschenmassen vor den Geschäften und die sorgfältig angelegten Grünflächen, alles erinnert ihn an seine Heimatstadt. Nur die Luft duftet reiner, wie frisch gewaschen. Außerdem ist der Lärmpegel um einiges niedriger und Paul kann sich denken hören.
Mit jedem Schritt des Spazierganges verringert sich der unsichtbare Ballast auf seinen Schultern und das anfängliche Gefühl des Unbehagens ist nach kurzer Zeit verschwunden. Diese Erkenntnis überrascht Paul, dennoch sehnt er sich nach Gesellschaft. Bei Plan4Good hatte er oft beobachtet, wie sehr sich manche seiner Kollegen auf derartige Dienstreisen freuten und sie sogar im Anschluss um ein paar Tage verlängerten. Paul bewundert die unabhängige Haltung der Männer, auch wenn er es nicht nachvollziehen kann. Er selbst genießt, ja braucht sogar, den Kontakt seiner Mitmenschen. Auch ein langes Abendessen mit Geschäftspartnern, würde er einer einsamen Pizza auf dem
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