Das verrueckte Schwein pfeift in der Pfanne
Hotelbett vorziehen. Doch heute ist Paul auf sich allein gestellt. Klar, er könnte auch in ein Restaurant gehen, aber an einem winzigen Tisch allein sein Abendessen zu vertilgen, würde sich nicht besser anfühlen. Im Gegenteil, je lustiger und lauter die Umgebung ist, umso einsamer kann Paul sich manchmal fühlen. Auf früheren Reisen, war die Trennung von Kim oft einer der Hauptgründe für sein Unbehagen und seine tiefe Einsamkeit. Bei längeren Aufenthalten, konnte sich dieses Gefühl der Verlorenheit bereits am ersten Tag einstellen.
Heute ist es anders. Irgendwie besser. Zaghaft wandert Paul durch die Straßen, an seiner Seite die nicht abschüttelbare Befürchtung, an der nächsten Straßenecke in einem Heulkrampf zusammenzubrechen. Fast erwartet Paul, von einer Welle des Schmerzes und der Trauer überrollt zu werden, wie von einem großen Lastwagen. Um ohnmächtig auf den Boden zu sacken, unfähig jemals wieder aufzustehen. Aber nichts dergleichen geschieht, die Qualen bleiben einfach aus.
Zunächst beobachtet Paul diesen Umstand skeptisch, doch schon nach kurzer Zeit werden seine Schritte fester und schneller. Beschwingt wandert er durch die belebten Gassen, studiert Speisekarten vor lauten Straßencafes, beobachtet vorbeiziehende Menschengruppen und beginnt tatsächlich zu vergessen. Ähnlich wie nach dem Erwachen aus zwei migränebelasteten Tagen, durchströmt Paul ein Gefühl der Erleichterung über das Ausbleiben des Kummers. Freudig registriert er seinen aufsteigenden Hunger und holt sich einen Hot Dog.
Kauend lässt er sich auf einer Parkbank nieder und beobachtet zufrieden ein paar spielende Kinder. Befreit und stolz beglückwünscht er sich zu dem Entschluss, die behüteten Wände verlassen zu haben, auch wenn tief in seinem Inneren die Angst vor dem Verschwinden der Leichtigkeit schlummert.
Doch daran denkt Paul jetzt nicht. Er grübelt auch nicht über das bevorstehende Projekt oder die vergangenen Tage. Losgelöst von aller Schwermut, sitzt Paul einfach auf seiner Bank und füllt seinen Kopf mit gelassener Leere.
Friedlich und seit einer gefühlten Ewigkeit frei von Schmerzen.
Uff, was war das nur für ein Alptraum!
Ja, was für einer eigentlich? Für mich gibt es zwei Arten von Alpträumen: Zur ersten Kategorie zählen jene nächtliche Ausflüge, in denen dich der berühmte schwarze Mann verfolgt oder sich ein hungriger Grizzlybär an deine Fersen heftet, wahlweise auch beides. Ein beliebter Ausgang der qualvollen Hetzjagd ist meist ein Sturz in die Tiefe, bei dem du unsanft auf dem staubigen Boden landest. Direkt vor den Füßen deines Vorgesetzten, der die günstige Gelegenheit ergreift und dich aufgrund betriebsbedingter Änderungen mit sofortiger Wirkung entlässt.
Ich muss zugeben, dieses Szenario klingt nicht nur schrecklich, sondern auch schrecklich weit hergeholt. Ich persönlich neige eher dazu, reale Begebenheiten und Mitmenschen in meine Träume einzubauen. So kann es in meinen Nächten durchaus vorkommen, dass Kasimir auf dem neuen Staubsauger fahrend und mit einer scharfen Küchenraspel in der rechten Pfote, die Jagd auf mich eröffnet. Dieses Grauen habe ich erst letzte Woche im Schlaf durchlebt und noch immer ist meine Küchenschublade fest verschlossen. Kasimir bekommt seitdem nur das ihm verhasste Trockenfutter, was er so gar nicht einsehen will. Aber je weniger Kondition dieser Kater aufbaut, desto tiefer schlafe ich.
So furchterregend diese Träume aber auch sein mögen, ihr Schrecken verflüchtigt sich mit den ersten vorwitzigen Sonnenstrahlen, die sich durch die Lamellen schummeln. Nach wenigen Minuten reibt man sich auch schon kopfschüttelnd die Augen und fragt sich, wie man diesen Wandertag des Kleinhirns nur annähernd ernst nehmen konnte. Weitaus grauenvoller, wenn auch oft unterschätzt, sind die Alpträume der zweiten Sorte. In denen verläuft augenscheinlich zunächst alles wunderbar. Dein Exfreund, der inzwischen ein erfolgreicher Anwalt ist, kommt zu dir zurück gekrochen, der Chef winkt mit einer längst überfälligen Gehaltserhöhung und nach zwei Tagen Schokoladendiät purzeln zwanzig überflüssige Kilo von Hintern und Schenkeln. Am Morgen danach erwachst du mit einem strahlenden Lächeln im Gesicht und dem Gefühl, Bäume ausreißen zu können. Doch dieser selige Zustand hält nicht lange an. Sobald sich der schläfrige Nebel lichtet, sickert die elende Realität allmählich und unaufhörlich durch die Steppdecke, hinein in deinen Kopf. Ein Tsunami der
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