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Das verschollene Reich

Titel: Das verschollene Reich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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dunklen Augen zu schlagen. »Erklärt uns lieber, was Ihr in dieser Gegend zu suchen habt!«
    »Cassandra«, suchte Rowan sie zu beschwichtigen, »was …?«
    »Schon gut, junger Freund«, versicherte Blacwin, seine bärtigen Züge zeigten ein Lächeln. »Wie ich sehe, teilt die Lady Eure Dankbarkeit nicht. Ich frage mich allerdings, womit wir diese Ablehnung …«
    »Ihr tragt Schwerter«, stellte Cassandra fest.
    »Und? Ist es Kaufleuten nicht erlaubt, sich zu verteidigen? Ohne unsere Klingen würden wir längst nicht mehr unter den Lebenden weilen, das dürft Ihr uns glauben.«
    »Ich habe das Kreuz gesehen«, sagte Cassandra nur.
    »Welches Kreuz?«
    »Das Kreuz, das Euch verraten hat«, erwiderte die junge Frau ungerührt. »Ihr mögt als harmlose Kaufleute reisen, in Wahrheit jedoch seid Ihr Ritter des Templerordens.«
    »Was?« Rowan wurde hellhörig. Er erwartete halb, dass Blacwin in Gelächter ausbrechen und den Vorwurf weit von sich weisen würde. Stattdessen wurde das Grinsen im Gesicht des angeblichen Kaufmanns noch ein Stück breiter.
    »Bien« , sagte er lauernd – und zog seine Klinge.

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17
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    »Sie haben Weizen gesät und Dornen geerntet, haben sich fruchtlos abgemüht.«
    Jeremia 12,13
    Wald von Othe
8. Dezember 1173
    Er konnte kaum noch etwas sehen.
    Alles, was er wahrnahm, war Schmerz.
    Bohrender Schmerz, der von seiner linken Schläfe ausging und sich von dort bis hinab in seine Eingeweide wühlte.
    Und da war Blut.
    Überall.
    In seinem Gesicht, an seinen Händen. Es rann unter den coif und in seine Rüstung, lief ihm in die Augen.
    Er lag bäuchlings im Schnee, unfähig, wieder auf die Beine zu kommen oder sich auch nur herumzuwälzen. Zu heftig war der Aufprall gewesen, als er vom Rücken seines Pferdes stürzte, zu grässlich der Schmerz, zu furchtbar die Erkenntnis, dass etwas in seiner linken Schläfe steckte.
    Etwas Hartes, Metallisches: der Bolzen einer Armbrust.
    Er atmete schwer und keuchend, sein Herzschlag dröhnte durch sein Bewusstsein. Und er hörte die Schreie des Mädchens, das immerzu seinen Namen rief.
    »Kathan! Kathan!«
    Er drehte den Kopf in ihre Richtung. Sie war mit ihm vom Pferd gestürzt, hatte sich eine blutende Wunde an der Stirn zugezogen. Die Decke hatte sie abgestreift, kroch auf allen vieren durch den Schnee auf ihn zu.
    »Kathan!«
    Sie weinte und schrie, was ihm klarmachte, welch furchtbaren Anblick er bieten musste. Doch er empfand weder Furcht noch Zorn, nur unendliches Bedauern.
    »Kathan!«
    Sie erreichte ihn, griff mit ihren kalten Händen nach seiner blutigen Rechten. Er sah ihre ausgezehrten, vom Fieber geröteten Züge, die mit Tränen gefüllten Augen, und seine Trauer darüber, dass er sein Versprechen nicht würde einlösen können, verstärkte seine Qualen nur noch.
    »Es … tut mir leid«, stieß er hervor. »So leid …«
    Sie erwiderte nichts, vergrub schluchzend ihr Gesicht an seiner Schulter, während er nur dalag und schwer atmete, den Schmerz und die Trauer irgendwie zu beherrschen suchte. Mit Mühe gelang es ihm, den rechten Arm zu heben. Fahrig strich er über ihr Haar, wie er es oft getan hatte, um sie zu trösten. »Wie«, flüsterte er mit versagender Stimme, »ist dein Name? Ich habe dich nie danach gefragt …«
    Sie hob den Kopf und schaute ihn an, die Tränen rannen ihr jetzt ungehemmt über das Gesicht. »Ich heiße …«
    Ein Schatten fiel plötzlich auf sie und ließ sie verstummen.
    »Sieh an, Bruder, so rasch sehen wir uns wieder!«
    Kathan kannte die Stimme. Er hätte den Kopf nicht herumzudrehen brauchen, um zu wissen, wem sie gehörte. Langsam wanderte sein Blick an den gepanzerten Beinlingen und dem weißen Rock mit dem Tatzenkreuz empor bis in die grinsenden Züge Mercadiers. Hinter ihm gewahrte Kathan einen Trupp schwarz gewandeter Ordenskämpfer, die mit Keulen und Speeren bewaffnet waren. Einer von ihnen trug eine Armbrust über der Schulter.
    »Du hast mir aufgelauert«, presste Kathan hervor. Immer wieder rann ihm Blut in die Augen und nahm ihm die Sicht. »Wie ein verdammter Räuber.«
    »Ist das alles, was du mir zu sagen hast? Willst du mir das zum Vorwurf machen?« Mercadier verzog das Gesicht, sein Augenspiel heuchelte Mitleid. »Komm, Kathan, das ist nicht dein Ernst! Nicht ich bin es, der etwas gestohlen hat, sondern du. Und nicht ich, sondern du hast gegen die Regeln verstoßen. Hatte ich dich nicht eindringlich gewarnt? Hatte ich dir nicht gesagt, das Kind zu vergessen und seinem Schicksal zu

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