Das verschollene Reich
presste sich noch ein wenig fester an sie – und zu ihrer Überraschung stellte sie fest, dass offenbar auch seine Lenden noch nicht so lahm waren, wie sie angenommen hatte.
Obwohl ihr kaum noch eine Möglichkeit blieb, sich zu bewegen, drehte sie den Kopf zur Seite, als wollte sie sich ihm verweigern – sie kannte ihn gut und lange genug, um zu wissen, wie er auf eine solche Zurückweisung reagieren würde.
»Hexe«, zischte er, packte mit der Rechten, die den Siegelring des Reiches Jerusalem trug, ihr Kinn und riss es herum. Keuchend presste er seine schmalen Lippen auf die ihren, während seine Linke unter die Rockschöße ihres Kleides glitt. Die Königin gab einen unterdrückten Schrei von sich, der die Lust ihres Gemahls nur noch anzuspornen schien. Mit lautem Stöhnen ließ er den Mund an ihrem Hals bis hinab zum Ansatz ihres Busens wandern und biss zu. Sibylla schrie erneut auf, diesmal laut und ungehemmt. Der Schmerz bereitete ihr eine Wonne, die sie lange nicht verspürt hatte. Mit bebenden Händen half sie ihm, die Verschnürung seiner Beinkleider und der Bruche zu lösen. Und während er bebend und keuchend in sie eindrang, mit einer Macht, als wollte er sie für ihre Aufsässigkeit bestrafen, hauchte sie in sein Ohr, zischelnd wie eine Schlange:
»Sei unbesorgt, Geliebter – ich habe bereits alles Nötige veranlasst. Schon bald werden unsere Feinde vernichtet sein.«
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3
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»Unser Land strömt über von Honig
und hat überall Milch im Überfluss.«
Brief des Johannes Presbyter, 88 / 89
Jerusalem
18. Januar 1187
Es war unbegreiflich.
In all den Jahren, in denen er nun schon im Heiligen Land weilte, hatte Rowan viel über die angeblichen Wunder gehört, die Jerusalem umgaben; von den geheiligten Stätten, an denen der Erlöser gewirkt hatte, wo er gekreuzigt worden und auferstanden war … doch gesehen hatte er sie noch nie. Ihn hatte man stets in Werkstätten und Lagerhäuser gesteckt, wo er niedere Arbeiten verrichten musste – mehr hatte man seinem widerspenstigen Geist nicht zugetraut. Zweifel an all den wundersamen Geschichten, die man über die Hohe Stadt erzählte, hatten sich bereits in ihm breitgemacht, ja, fast hätte er begonnen, Jerusalem selbst für ein Gerücht zu halten, für trügerischen Schein – nun jedoch sah er die Stadt mit eigenen Augen. Und ihm wurde klar, dass alles der Wahrheit entsprach.
Vor zwei Tagen waren sie in Jerusalem eingetroffen, Rowan und sein neuer Meister, der verschrobene Bruder Cuthbert. Alle bisherigen Herren, denen Rowan gedient hatte, hatte er schon nach wenigen Tagen durchschaut: ob sie streng waren oder nachsichtig, fromm oder lax, wenn es um die Einhaltung der benediktinischen Regeln ging; ob sie gebildet waren oder nur so taten; ob sie Verfechter der Sache Christi waren oder nur auf den eigenen Vorteil bedacht.
Bei seinem neuen Meister jedoch war es anders. Obwohl er ein schottischer Landsmann war und Rowan ihn womöglich noch eher hätte verstehen müssen, wurde er einfach nicht schlau aus ihm. Noch am Tag ihrer Ankunft in Jerusalem hatten sie den Ölberg bestiegen und jenen Ort besucht, an dem sich einst der Garten Gethsemane befunden hatte. Doch statt den Herrn laut zu preisen und über die Sünde des Judas zu klagen, war Cuthbert nur auf die Knie gefallen und hatte stille Andacht gehalten – auch auf diese Weise, so sagte er, könne man der Leiden des Herrn und der menschlichen Fehlbarkeit gedenken.
Aber auch in anderer Hinsicht schien sich der alte Benediktinermönch grundlegend von allen zu unterscheiden, in deren Diensten Rowan bisher gestanden und die ihn früher oder später alle verjagt hatten. Jeder hatte versucht, Rowans widerspenstigen Geist zu zähmen, ihm fortwährend Vorhaltungen gemacht und endlose Bibelrezitationen angedeihen lassen, in der Überzeugung, dass dadurch ein besserer Mensch aus ihm würde. Cuthbert hingegen erwies sich als beharrlicher Schweiger. Reden schien nicht seine Sache zu sein, und er sprach nur, wenn es sich nicht vermeiden ließ.
Vom christlichen Viertel aus, wo sie in einer von Zisterziensern unterhaltenen Herberge wohnten, hatten sie am zweiten Tag einen Rundgang unternommen, der sie durch das armenische Viertel zu jenen mächtigen, noch aus Salomons Zeiten stammenden Mauern geführt hatte, über denen sich groß und prächtig der Felsendom erhob. Dies, so hatte Cuthbert in einem seltenen Anflug von Redseligkeit erklärt, sei das Hauptquartier des Templerordens, dessen Mitglieder als
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