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Das verschollene Reich

Titel: Das verschollene Reich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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zu einer alten Frau, die sich um mich kümmerte. Was sie getan hat, weiß ich nicht, aber irgendwann kam ich zu mir und stellte zu meiner eigenen Verblüffung fest, dass ich noch am Leben war.«
    »Eine Hexe, zweifellos«, stellte Mercadier fest.
    »Eine Hexe.« Kathan nickte. »Für dich ist alles sehr einfach, nicht wahr?«
    »Durchaus nicht. Wäre es so, würde ich noch immer den weißen Rock tragen. Oder ich wäre schon längst tot, weil ein geheimnisvoller schwarzer Ritter Jagd auf alle Angehörigen des Ordens macht.«
    »Du weißt davon?«
    »Gewiss. Ich habe mich manches Mal gefragt, wer der Unbekannte sein mag, der die Regeln und Gebräuche der Ordensgemeinschaft genau zu kennen scheint. Aber ich muss gestehen, auf dich wäre ich nicht gekommen.«
    »An dem Tag«, erwiderte Kathan, »da ich in der Hütte der alten Acha erwachte, schwor ich mir zwei Dinge: zum einen, dass ich den Orden für den Rest meines Lebens bekämpfen würde, bis zum letzten Atemzug.«
    »Und zum anderen?«
    »Dass ich das Kind suchen und befreien würde«, erklärte Kathan. Der alte Zorn kochte in ihm empor. Hätten die Fesseln ihn nicht daran gehindert, hätte er sich mit bloßen Händen auf den einstigen Waffenbruder gestürzt.
    »Nun«, erwiderte dieser gelassen, »was das betrifft, hattest du wohl kein Glück, nicht wahr?«
    Kathan blieb eine Antwort schuldig. Blut rauschte in seinem Kopf, er vermochte keinen klaren Gedanken zu fassen. Wie hing all dies zusammen? Es ergab keinen Sinn …
    »Vielleicht«, meinte Mercadier großmütig, »sollte auch ich dir ein paar Dinge erklären. Damals, als ich das Mädchen aus deinen Händen befreite, bin ich nicht in die Komturei zurückgekehrt.«
    Kathan war entschlossen gewesen, keine Regung zu zeigen, doch jetzt blickte er überrascht auf.
    »Mir war klar, dass ich, obschon ich de Lacys Forderung erfüllt hatte, von seiner Gnade abhängig sein würde«, fuhr Mercadier mit überlegenem Lächeln fort, »und das wollte ich nicht. Also begann ich, meine Möglichkeiten abzuwägen, und erkannte, dass es Menschen geben würde, die die Fähigkeiten des Mädchens weitaus besser zu schätzen wüssten. Menschen, deren Horizont nicht dort aufhört, wo ihr Glaube endet.«
    »Von wem sprichst du?«
    Mercadier grinste nur, eine Antwort blieb er schuldig. »Die Turkopolen, die mich damals begleiteten, ereilte ein jäher und unerwarteter Tod. Danach hielt ich mich mit dem Mädchen bis zum Frühjahr verborgen, ehe ich mich unter falschem Namen nach Tripolis einschiffte. Der Templer Mercadier war tot – geboren war ein neuer, freier Mann, der nicht mehr auf das Wohlwollen und die Hilfe falscher Freunde angewiesen war, sondern sein Schicksal selbst in die Hand nahm. Mit dem Kind als Pfand ging ich nach Damaskus. Und wie sich zeigte, wussten die Anhänger Mohammeds die Fähigkeiten des Mädchens tatsächlich sehr viel mehr zu schätzen. Nachdem sich ihr erster Traum bewahrheitet hatte, behandelte man das Balg wie eine Prinzessin. Und mir als ihrem Gönner und Förderer wurde kaum geringere Ehre zuteil.«
    »Gönner und Förderer.« Kathan würgte den gallebitteren Geschmack hoch, der sich in seiner Kehle gebildet hatte, und spuckte aus. »Das ist ein schlechter Scherz.«
    »Durchaus nicht. Denn inzwischen hatte das Kind Zutrauen zu mir gefasst und begann, tatsächlich etwas wie seinen Mentor in mir zu sehen. Ist das nicht sonderbar?«
    »In der Tat.« Kathan spie erneut aus. Seine Fäuste ballten sich, sodass die Lederriemen um seine Handgelenke ins Fleisch schnitten.
    »Unter meiner Obhut«, fuhr Mercadier fort, »wuchs sie in Damaskus auf. Und keine Sorge«, fügte er grinsend hinzu, »ich ließ es ihr an nichts fehlen. Schließlich war sie mein wertvollster Besitz, der Grund dafür, weshalb mich die Muselmanen in ihren Reihen nicht nur duldeten, sondern es mir wohlergehen ließen. Auf diese Weise gelangte ich zu Reichtum und Ansehen.«
    »Dein wertvollster Besitz«, wiederholte Kathan das Wort, das sich wie Säure in seinem Kopf festgefressen hatte.
    »Komm schon, Bruder, hör auf, mir alles nachzuplappern. Das ist wenig geistreich.«
    »Schön«, knurrte Kathan, »dann ein anderes Wort – Verräter!«
    »Ausgerechnet du willst mich des Verrats bezichtigen? Bist du nicht ebenfalls ein Feind des Ordens geworden?«
    »Um meines reinen Gewissens willen«, gestand Kathan ein, »nicht, um Reichtum und Ansehen zu erlangen.«
    »Mein Ehrgeiz reicht weiter als deiner«, stimmte Mercadier zu, »das ist schon immer so

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