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Das verschollene Reich

Titel: Das verschollene Reich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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Narren.
    Natürlich wusste sie es nicht, schließlich konnte sie sich an nichts erinnern! »Verzeih«, flüsterte er und küsste sie abermals.
    »Hast du dich jemals gefragt, wer du bist?« Sie blickte in die Flammen, die irrlichternde Schatten auf ihr Gesicht warfen. »Was dein Ursprung ist? Deine Bestimmung auf Erden?«
    »In letzter Zeit oft.« Er blickte nach oben, auf den schmalen Streifen sternfunkelnden Firmaments, der sich über den Felswänden abzeichnete. »Früher bin ich alles andere als ein Denker gewesen. Ich habe immer nur aus dem Bauch heraus gehandelt und bin dadurch oft in Schwierigkeiten geraten. Erst Bruder Cuthbert hat mir beigebracht, mir meine eigenen Gedanken zu machen – und seither kann ich nicht mehr damit aufhören.«
    »Nein? Woran denkst du?«
    »Nun ja«, er zögerte, war ein wenig beschämt. »Manchmal habe ich das Gefühl, dass alles verbunden ist«, rückte er schließlich heraus. »Du, ich, Bruder Cuthbert, selbst dieser schwarze Ritter. Fast habe ich den Eindruck, als müsste all dies geschehen.«
    »Du sprichst von Fügung?«
    Rowan grinste freudlos. »Für Bruder Cuthbert steht fest, dass Fügung etwas ist, das sich die Menschen ausdenken, um ihre eigenen Ziele zu rechtfertigen. Aber auch er gibt zu, dass es Zeichen gibt und sie eine Bedeutung haben. Und wir haben viele Zeichen gesehen.«
    »Was für Zeichen meinst du?«
    »Wo soll ich anfangen? Dass ich Bruder Cuthbert begegnet bin, könnte ein erstes Zeichen gewesen sein. Warum kam er damals in meine Zelle und nahm mich als seinen neuen Diener an? Auch die Begegnung mit dir könnte ein Zeichen gewesen sein, ebenso wie die goldene Feder, die uns die Königin gegeben hat und die gestohlen wurde. Oder die toten Templer an jenem Baum oder das Auftauchen des schwarzen Ritters in jener Nacht …«
    Cassandra zuckte merklich zusammen. »In jener Nacht? Soll das heißen, du hast ihn zuvor schon einmal gesehen?«
    »In Hamaymah«, bestätigte Rowan leise. »Ich hatte schlecht geträumt und konnte nicht schlafen, also stieg ich aufs Dach der Karawanserei, um etwas frische Luft zu atmen. Von dort aus sah ich ihn. Er tauchte nur kurz zwischen den Hügeln auf und verschwand gleich darauf wieder, wie eine Erscheinung.«
    »Und du bist sicher, dass du ihn wirklich gesehen hast?«
    »Anfangs war ich es nicht, aber seit wir ihm erneut begegnet sind, habe ich keine Zweifel mehr. Außerdem bin ich nicht der Einzige, der den schwarzen Ritter in jener Nacht gesehen hat – auch wenn du dich wahrscheinlich nicht mehr daran erinnerst.«
    Sie hob den Kopf und schaute ihn überrascht an.
    »Du hattest den Dachgarten ebenfalls aufgesucht«, bestätigte Rowan, »aber es wundert mich nicht, wenn du dich nicht erinnerst. Du hast nur dagesessen und ins Leere gestarrt. Ich habe dich angesprochen, aber du hast nicht reagiert. Vermutlich hattest du wieder einen deiner Träume.«
    »Vermutlich.« Sie nickte langsam, fast widerstrebend.
    »Das könnte ein weiteres Zeichen gewesen sein«, kam Rowan auf seinen ursprünglichen Gedanken zurück. » Du könntest ein weiteres Zeichen sein.«
    »Ich?« Sie schnaubte verächtlich. »Du denkst zu hoch von mir.«
    »Das glaube ich nicht. Es muss einen Grund dafür geben, dass dich der Allmächtige mit dieser Fähigkeit ausgestattet hat.«
    »Den gibt es«, erwiderte sie leise. »Ich bin verflucht.«
    »Warum sagst du so etwas?« Rowan war ehrlich entsetzt. »Bist nicht du es gewesen, die uns auf dieser Reise den Weg gewiesen hat? Und hast nicht du uns in der Nacht, als wir überfallen wurden, das Leben gerettet?«
    Cassandra starrte wieder in die Flammen. »Ja«, bestätigte sie leise.
    »Und bist du nicht bei mir geblieben, um gemeinsam mit mir nach Bruder Cuthbert zu suchen?«
    »Ja …«
    Er schaute an ihr herab und konnte die Tränen sehen, die im Licht des Feuerscheins auf ihren Wangen glänzten. Er nahm an, dass es an ihrer Einsamkeit lag, an der Tatsache, dass sie sich noch immer nicht erinnern konnte. Vielleicht auch an der Furcht vor dem, was die Erinnerung zutage bringen mochte.
    In diesem Augenblick fühlte er sich ihr so nahe und verbunden wie nie zuvor. Er zog sie noch ein wenig näher zu sich heran, beugte sich hinab und küsste sanft die Tränen von ihrem Gesicht. Cassandra drehte sich zu ihm herum, und ihre Münder begegneten sich, während seine Hand über die Rundungen ihrer Brüste wanderte. In sanftem Verlangen liebkosten seine Lippen die ihren – bis er merkte, dass sie seine Zärtlichkeit nicht

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