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Das verschollene Reich

Titel: Das verschollene Reich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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einlassen?«
    »Ja, Herr.« Rowan nickte. Zum ersten Mal nach langer Zeit trug er wieder die Tracht seines Ordens, die Tonsur, von der zuletzt nichts mehr zu sehen gewesen war, war frisch geschnitten.
    Er hatte sich freiwillig gemeldet, als Bote ins feindliche Lager zu gehen und den Vorschlag zu überbringen. Zunächst hatte Bruder Cuthbert gehen wollen, doch Rowan hatte nicht zulassen wollen, dass sich sein Meister erneut in solche Gefahr begab. Außerdem hatte er den Mann, der Cassandra so rücksichtslos ausgebeutet und zu seinem willenlosen Werkzeug gemacht hatte, mit eigenen Augen sehen, ihm von Angesicht zu Angesicht begegnen wollen.
    Nun, da er vor ihm stand, erschien ihm kaum vorstellbar, dass dieser nicht besonders große, untersetzte Mann derartige Macht ausüben konnte. Sobald Mercadier jedoch zu sprechen begann, wurde das Ausmaß seiner Verschlagenheit offenbar. Jedes einzelne Wort war wohlgewählt und schien nur dem einen Zweck zu dienen, seine Ziele durchzusetzen und andere Menschen zu beeinflussen. Wenn der abtrünnige Templer den Mund aufmachte, dann hatte das etwas von einer zischelnden Schlange, und Rowan kam sich wie ein Lamm vor, schutzlos angesichts solcher Durchtriebenheit und Arglist.
    »Sag diesem Fürst Ungh-Khan, dass ich nicht gewohnt bin, mit niederen Dienern zu verhandeln«, erklärte Mercadier mit hinterhältig funkelnden Augen. »Wenn er mir einen Vorschlag unterbreiten will, so soll er selbst zu mir kommen. Zudem scheint er kein kluger Taktiker zu sein. Die Hauptstreitmacht meines Heeres ist noch nicht einmal eingetroffen, und er bietet mir bereits einen Handel an. Was soll ich davon halten? Nun, ich will es dir sagen: Ich denke, dass es in jener Festung nicht einmal genug Krieger gibt, um es mit meiner Vorhut aufzunehmen. Aus diesem Grund hofft der Fürst, sich und seine Habe mit einem Zweikampf retten zu können. Aber daraus wird nichts.«
    »Ihr lehnt das Angebot ab, Herr?«
    »Was du mir überbracht hast, Bursche, ist kein Angebot, sondern ein Schlag ins Gesicht jedes halbwegs vernunftbegabten Menschen. Fürst Ungh-Khan scheint mich für einen ausgemachten Narren zu halten, wenn er glaubt, dass ich auf sein Angebot eingehe. Ich lasse mir einen Sieg nicht streitig machen, den ich bereits in den Händen halte.«
    »Auch nicht, wenn Euer Gegner im Zweikampf Kathan hieße?«
    Rowan hatte bis zu diesem Augenblick gewartet, um sein gewichtigstes Pfund in die Waagschale zu werfen, und sah mit Genugtuung, dass seine Worte die beabsichtigte Wirkung erzielten.
    Die Fassade des Gleichmuts bröckelte, und zum ersten Mal war zu erkennen, was Mercadier empfand. Da war Überraschung, gefolgt von Befremden, dann verfinsterte blanker Zorn seine Züge, der sich jedoch rasch in höhnisches Gelächter wandelte. »Bursche«, tönte er, »ich weiß nicht, wovon du redest. Der Kathan, den ich kenne, befindet sich in sicherer Verwahrung. Und alle anderen interessieren mich nicht.«
    »Ich denke, Ihr irrt Euch, Herr«, entgegnete Rowan ruhig und um Bescheidenheit bemüht. »Kathan ahnte, dass Ihr mir nicht glauben würdet, deshalb bat er mich, Euch Grüße von Eurem gemeinsamen Freund Gaumardas zu bestellen.«
    »Von Gaumardas?« Die Häme verschwand jäh aus Mercadiers Zügen.
    »Ja, Herr. Außerdem«, fuhr Rowan fort und griff mit demonstrativer Langsamkeit unter das Skapulier, um die Wachen nicht herauszufordern, »bat er mich, Euch das hier zu geben.«
    »Was ist das?«, fragte Mercadier verblüfft, als Rowan ihm zwei lange Stofffetzen reichte.
    »Die Schärpen der beiden Soldaten, die sein Zelt bewacht haben«, erwiderte Rowan schlicht.
    Fassungslos starrte Mercadier auf die beiden Fetzen, die mit dunkelroten Flecken besudelt waren. Einen Augenblick lang konnte er sich noch beherrschen, dann brach sich seine Wut in einem lauten Schrei Bahn. »Also gut!«, brüllte er so laut, dass Rowan zusammenzuckte, dabei rollten seine Augen in ihren Höhlen wie bei jemandem, der dabei war, den Verstand zu verlieren. »Ich weiß nicht, wie dieser elende Bastard es geschafft hat zu entkommen, aber ich weiß, dass dies das letzte Mal gewesen ist, dass er meine Kreise gestört hat! Richte ihm aus, dass ich die Herausforderung annehme – und dass es mir ein Vergnügen bereiten wird, ihm das verräterische Herz aus der Brust zu schneiden!«
    »Und wenn er gewinnt?«, fragte Rowan. »Werden sich Eure Leute dann an Euren Teil der Abmachung halten und abziehen?«
    Mercadiers Zögern währte nur einen Augenblick. »Ihr habt

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