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Das verschollene Reich

Titel: Das verschollene Reich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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hatte es sich nehmen lassen, dem Kampf beizuwohnen, zu viel stand auf dem Spiel. Noch immer waren viele misstrauisch, hätten es vorgezogen, selbst mit dem Schwert in der Hand zu kämpfen, als ihr Schicksal in die Hände eines fremden Ritters zu legen, der noch dazu nur ein Auge hatte.
    Mit Bruder Cuthberts Hilfe war es Fürst Ungh-Khan jedoch gelungen, seine Untertanen davon zu überzeugen, dass dies nicht nur der unblutigste Weg war, die Burg und ihre Bewohner zu verteidigen, sondern auch der erfolgversprechendste. Entsprechend gespannt waren die Mienen, die Kathan beim Verlassen der Scheune entgegenblickten. Eisiges Schweigen lag in der Luft, nur der Wind war zu hören.
    Kathan vermied es, in die erwartungsvollen Gesichter zu blicken, und wandte sich stattdessen gleich dem Pferd zu, das fertig gesattelt auf ihn wartete. Rowan hielt es an den Zügeln, damit er es besteigen konnte, reichte ihm dann die Lanze, während Cassandra ihm den Schild hinhielt.
    »Sieh dich vor, hörst du?«, schärfte sie ihm ein. »Mercadier ist ein gefährlicher Gegner.«
    »Ich kenne ihn länger als du«, erwiderte Kathan mit gleichmütigem Grinsen.
    »Gott mit Euch, Herr Ritter«, gab Rowan ihm mit auf den Weg.
    Kathan wollte etwas erwidern, wollte sagen, dass er all die Jahre ohne den Beistand des Allmächtigen gefochten hatte und dass er ihn auch jetzt nicht brauchte. Aber er sagte nichts. Stattdessen nickte er ihm zu. Der Blick seines Auges war nicht zu deuten. Dann vergewisserte er sich noch einmal seiner Ausrüstung, straffte sich im Sattel und trieb das Pferd an. Schnaubend, als könnte es die Unruhe, die in der Luft lag, spüren, setzte sich das Tier in Bewegung, trabte durch die Gasse, die die Keraiten für ihn frei machten. Die Männer nickten Kathan aufmunternd zu, einige streckten die Hände aus, berührten Reiter oder Pferd und gaben ihm Segenswünsche mit auf den Weg.
    Kathan reagierte nicht darauf. Sein Blick war starr geradeaus gerichtet, auf den Feind, der ihn außerhalb der Burgmauern erwartete.
    Das Pferd erreichte das Tor, trabte unter dem aus groben Steinen gefügten Bogen hindurch und trug seinen Reiter über die Brücke, die die tiefe Kluft überspannte, seinem Schicksal entgegen.
    Während Kathan hinausritt, erklommen Rowan und Cassandra die Treppe zum linken Wachturm. Nicht nur Bruder Cuthbert hielt dort oben Ausschau, sondern auch Fürst Ungh-Khan und seine Unterführer, die nicht weniger angespannt und unruhig wirkten wie der geringste Knecht unten auf dem Hof. Allen war klar, dass der Ausgang des bevorstehenden Kampfes über das Wohl oder Wehe ihres Volkes entschied. Verloren sie die Festung, würden sich die Keraiten sicher noch in der einen oder anderen Burg oder in entlegenen Dörfern halten können, doch ihre Zeit würde vorüber sein, ein Volk, das zum Aussterben verurteilt war. Und unwillkürlich musste Rowan an das Königreich Jerusalem denken.
    Wurde es nicht von denselben Feinden bedroht? Stand es nicht ebenfalls gegen eine Übermacht, und drohten ihm nicht ebenso Untergang und Vergessen?
    Zusammen mit Cassandra trat er an die Mauerbrüstung und blickte auf das Plateau, das sich jenseits des Burggrabens erstreckte – und von feindlichen Soldaten umgeben war.
    Die Hauptstreitmacht Mercadiers war inzwischen eingetroffen, sodass auch dem letzten Keraiten klar geworden sein musste, dass eine Schlacht nicht zu gewinnen war. Hunderte von dunkelhäutigen Kriegern säumten das Plateau, deren Turbane, Tuniken und Rüstungen ebenso farbenprächtig wie einschüchternd wirkten. Ihre Speere und Äxte blitzten im Licht der aufgehenden Sonne, doch sie würden an diesem Morgen nicht zum Einsatz kommen. Der Grund dafür war der Mut des Mannes, der ihnen einsam entgegenritt.
    Auf der anderen Seite des Kampfplatzes wurde Kathan bereits erwartet. Auch Mercadiers Kleidung und Rüstung ließen nicht vermuten, dass sich darunter ein einstiger Templer befand. Sein seidener Rock war von blaugrüner Farbe und, wie bei sarazenischen Führern üblich, mit aufwendigen Borten und Stickereien versehen. Darüber trug er einen Brustharnisch, wie die ghulam ihn verwendeten, sowie einen spitz geformten Helm mit einem Anhang aus Kettengeflecht, der nicht nur den Nacken, sondern auch das Gesicht bedeckte. Nur zwei kreisrunde Löcher für die Augen blieben frei. Die Lanze war ebenfalls die eines ghulam -Reiters, dazu trug er einen länglich geformten und mit Arabesken versehenen Schild. Das Pferd, auf dem er saß, war ein pechschwarzer

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