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Das verschollene Reich

Titel: Das verschollene Reich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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einigen Tagen belagert. Wie es heißt, steht die Burg kurz vor dem Fall.« Erneut drehte er sich zu Raymond um und sandte ihm einen geringschätzigen Blick zu, den dieser jedoch ignorierte. »So, wie die Dinge liegen, haben wir also nur eine Wahl.«
    »Sehr richtig«, stimmte Gérard de Ridefort, der Großmeister des Templerordens, ohne Zögern zu, und auch andere Mitglieder des Adelsrates bekundeten ihre Zustimmung. »Nur ein direkter Angriff kann Saladin aufhalten.«
    »Ich schließe mich Eurer Meinung an«, pflichtete auch Guy de Lusignan bei. »Wir müssen nach Tiberias ziehen und für Entsatz sorgen, andererseits wird die Festung an den Feind verloren gehen. Und wenn Saladin Tiberias unter seiner Kontrolle hat, kontrolliert er damit auch die Römerstraße, die gen Westen zum Meer verläuft.«
    »Und dann?«, fragte Graf Raymond und brachte sich damit zum ersten Mal in die Beratung ein. »Die Inbesitznahme der Straße verschafft Saladin keinen Vorteil, denn er müsste einen Teil seiner Krieger aufwenden, um sie zu sichern. Und jeder Einzelne von ihnen fehlt ihm, wenn es gegen Jerusalem geht.«
    »Verstehe ich Euch richtig?«, fragte Raynald lauernd, während sich seine kleinen Augen Beifall heischend umblickten. »Ihr wollt Euren eigenen Leuten nicht zu Hilfe kommen, obschon sich Euer Eheweib in Tiberias aufhält?«
    Raymonds schlanke Gestalt straffte sich. Seine edlen, von langem Haar umwallten Züge bildeten einen krassen Gegensatz zu Chatillons rotbärtiger, vernarbter Miene. »Was dies betrifft, so vertraue ich auf Saladins Edelmut«, erklärte er voller Überzeugung, worauf der andere in schallendes Gelächter ausbrach.
    »Ich scheiße auf seinen Edelmut!«, gab er dazu bekannt. »Dieser Bastard ist widerrechtlich in unser Land eingefallen! Er will uns rauben, was unsere Vorväter mit ihrem Blut erkämpft haben!«
    »Eure Vorväter, Raynald?« Raymonds Augen verengten sich, wurden stechend. »Was Eure Ahnen getrieben haben, weiß ich nicht. Meine hingegen sind dabei gewesen, als Jerusalem fiel, deshalb könnt Ihr mir glauben, dass ich die Stadt und das Königreich nicht weniger entschlossen verteidigen werde als Ihr. Und aus diesem Grund sage ich, dass wir unser Heer dort sammeln und Saladin erwarten sollten!«
    »Die Haltung eines Feiglings!«, begehrte Gérard de Ridefort auf, der ebenfalls aufsprang und wütend die Faust ballte.Raymond jedoch wahrte auch weiterhin die Fassung.
    »In der Vergangenheit«, sagte er, »wurden viele Dinge gesagt und getan, die uns voneinander entfernt haben. So darf es nicht weitergehen, oder Saladin wird ein leichtes Spiel mit uns haben. Ich schreibe Eure Worte deshalb Eurer Erregtheit zu, Ridefort, und werde Euch nicht dafür belangen. Denn es ist nicht Feigheit, die mich so sprechen lässt, sondern kühle Überlegung.«
    »Was für eine Überlegung?«, wollte der König wissen, noch ehe Gérard etwas erwidern konnte. Vermutlich, so nahm Raymond an, hatte die Niederlage von Cresson die Glaubwürdigkeit des Templers beschädigt.
    »Was haben wir Saladins Heer entgegenzustellen?«, fragte der Graf von Tripolis dagegen. »Doch höchstens etwas mehr als eintausend Ritter, dazu die Turkopolen und das Fußvolk, insgesamt nicht mehr als zwanzigtausend Mann, von denen viele Bauern sind, mit Forken und Knüppeln bewaffnet.«
    »Und?«, fiel Raynald ihm ins Wort. »Ein christlicher Kämpfer wiegt drei Muselmanen auf!« Erneut blickte er in die Runde, aber weder wurde gelacht noch gab es Zustimmung.
    »Wenn ich mich recht entsinne, stellte sich die Lage bei Cresson anders dar«, meinte Raymond und ließ seinen Blick ebenfalls über die Runde der Versammelten schweifen. »Ihr kennt das Land nicht so, wie ich es kenne, Chatillon. Bei Sephoria, wo sich das Fußvolk sammelt, mag es genügend Wasser und Proviant geben, um ein Heer zu versorgen. Je weiter wir jedoch gen Osten marschieren, desto karger wird das Land, und in der Hitze des Sommers verwandelt es sich in einen wahren Glutofen. Dort hinein müssen wir, wenn wir uns Saladin zur offenen Feldschlacht stellen wollen!«
    »Und genau das ist unser Vorteil«, meinte Raynald überzeugt, »denn Saladin wird nicht mit unserem Angriff rechnen. Wenn wir unsere Attacke nur mutig und entschieden genug vortragen, werden die Heiden vor uns die Flucht ergreifen, wie sie es so viele Male zuvor getan haben!«
    Diesmal gab es wieder laute Zustimmung. Viele der anwesenden Edlen ließen sich von Raynalds flammenden Worten mitreißen, sodass Raymond

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