Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das verschollene Reich

Titel: Das verschollene Reich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
Vom Netzwerk:
mein Wort darauf«, entgegnete er dann, »aber dazu wird es nicht kommen. Ich habe Kathan schon einmal bezwungen und werde es wieder tun.«
    »Ich werde es ihm bestellen«, entgegnete Rowan, verneigte sich zum Abschied und wollte sich zum Gehen wenden.
    »Sie ist ebenfalls in der Burg, oder?«, fragte Mercadier in diesem Moment.
    »Von wem sprecht Ihr?«
    » As-Sifâra , die Frau, die ihr Cassandra nennt«, erwiderte Mercadier. »Kathan ist ein zäher Bursche, aber Einfallsreichtum ist nie seine Stärke gewesen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ihm die Flucht ohne ihre Hilfe gelungen ist.«
    Rowan war verunsichert, wusste nicht, was er antworten sollte, und entschied sich für die Wahrheit. »Ja«, sagte er, »sie ist ebenfalls dort.«
    »Ich wusste es.« Mercadier lächelte schwach. »Wer hätte gedacht, dass wir uns eines Tages als Feinde gegenüberstehen würden? Aber vermutlich war das wohl unvermeidlich.«
    »Nichts ist unvermeidlich, Herr«, meinte Rowan überzeugt. »Es gibt für Euch keinen Grund, Krieg gegen diese Festung zu führen, denn es ist nicht die, nach der Ihr gesucht habt.«
    »Bursche«, knurrte der andere, »was weißt du von den Dingen, nach denen ich suche?«
    »Das Reich des Priesterkönigs«, entgegnete Rowan, »es existiert nicht. Der Presbyter ist nur eine Legende.«
    »Legende oder nicht, was schert es mich?« In den Augen des Abtrünnigen funkelte es. »Ich werde Kathan im Kampf besiegen, dann wird dieser Fürst mit dem seltsamen Namen mir die Festung übergeben. Und ich werde Boten nach Damaskus schicken und Saladin melden, dass die Gefahr gebannt ist. Ich habe dem Sultan einen Erfolg versprochen, und auf diese Weise wird er ihn bekommen. So einfach ist das, mein einfältiger junger Freund.«
    »So einfach«, wiederholte Rowan, angewidert von so viel Ichsucht. Um seine Gier nach Ruhm und Macht zu befriedigen, hatte Mercadier ohne Zögern ein kleines Mädchen zu seiner willfährigen Dienerin gemacht und scheute nun auch nicht davor zurück, einen grundlosen Krieg zu beginnen. »Ich verstehe.«
    Er wollte sich endgültig abwenden und das Zelt verlassen, doch wieder hielt ihn der andere auf.
    »Du bist der junge Mönch, nicht wahr?«, rief er Rowan hinterher. »Sie hat mir von dir erzählt.«
    Rowan blieb stehen, wandte sich jedoch nicht um, um nicht zu offenbaren, wie ihm die Häme in der Stimme des anderen die Zornesröte ins Gesicht trieb.
    »Da du ein Sohn des Klosters bist, ist es fraglos das erste Mal gewesen, dass du mit einer Frau zusammen gewesen bist.«
    Rowan schloss beschämt die Augen. »Und?«
    »Du kannst von Glück sagen, dass sie es war, die dich in diesen Dingen unterwiesen hat. Womöglich liegt es an ihrer Gabe, dass sie über ungeahnte Talente verfügt. Sie vermag die Wünsche eines Mannes zu erahnen und erfüllt sie, noch ehe er sie ausgesprochen hat, nicht wahr? Du wunderst dich, woher ich das weiß?« Mercadier lachte leise. »Ganz einfach, Junge – weil sie auch meine Wünsche schon erahnt und zu meiner vollsten Zufriedenheit erfüllt hat.«
    Rowan spürte, wie sein Blut in Wallung geriet. Einmal mehr ballten sich seine Fäuste, und blanker Zorn schoss ihm in die Adern. Zwei Seelen rangen in seiner Brust.
    Der Rowan von einst wollte auf dem Absatz kehrtmachen und dem Frevler die geballte Rechte ins hämisch grinsende Schandmaul dreschen, ganz gleich, was die Folgen sein mochten.
    Der Rowan von heute jedoch besann sich.
    Wenn er tat, wozu seine Wut und sein Ehrgefühl ihm rieten, würde Mercadier mit Recht behaupten, dass das Protokoll verletzt worden war und der Bote ihn tätlich angegriffen hatte. Damit würde das Wort, das er gegeben hatte, hinfällig, und der blutige Kampf um die Festung würde entbrennen. Vermutlich, sagte sich Rowan, war es genau das, was der Verräter beabsichtigte. Womöglich bereute er seine Zustimmung zu dem Handel bereits. Vielleicht fürchtete er sich vor dem Kampf gegen seinen Erzfeind und suchte auf diese Weise nach einer Möglichkeit, ihm zu entgehen, wollte lieber seine Krieger ins Feld schicken, als seine eigene Haut zu riskieren.
    Sollte er sich einen anderen Narren suchen. Er, Rowan, stand nicht zur Verfügung.
    Mit einem energischen Kopfschütteln verbannte er alle Gedanken an Rache und Vergeltung aus seinem Kopf und entkrampfte seine Fäuste.
    »Ja, Herr«, sagte er nur, ging weiter und verließ das Zelt mit dem untrüglichen Gefühl, dass er den anderen in Verzweiflung zurückließ.
    Verzweiflung über die selbst verschuldete

Weitere Kostenlose Bücher