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Das verschollene Reich

Titel: Das verschollene Reich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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Einheit des Königreichs gefährdet. Dennoch wagt sie es, mir gegenüber von Verantwortung zu sprechen. Hätte sie verantwortungsvoll gehandelt, hätte sie mir die Krone überlassen. Dann säße nicht dieser Emporkömmling Guy auf dem Thron, sondern du, mein Gemahl.«
    Ein Lächeln glitt über Humphreys ebenmäßige, fast weiblich wirkende Gesichtszüge, während er ihr sanft durch das schwarze, in Unordnung geratene Haar strich. »Als ich dich geheiratet habe, Isabela, bist du noch ein halbes Kind gewesen. Aber auch damals hast du schon genau gewusst, was du wolltest.«
    »Natürlich wusste ich das!« Sie schüttelte seine Hand ab und hob stolz das Haupt. »Ich bin die Tochter von Maria Komnena, in meinen Adern fließt das Blut der Kaiser von Byzanz! Mir allein hätte die Krone von Jerusalem zugestanden und nicht ihr! Sibylla versucht, sich die Macht zu erschleichen, genau wie ihre Mutter Agnes von Cortenay es getan hat. Nicht von ungefähr hat sich unser Vater von ihr scheiden lassen, um meine Mutter zu heiraten.«
    »All das ist richtig«, räumte Humphrey ein. »Dennoch hat der Adelsrat auch die Kinder aus Amalrics erster Ehe zu legitimen Erben erklärt. Also …«
    »Doch nur, weil meine Mutter zu diesem Zeitpunkt noch keinen Thronfolger geboren hatte«, fiel Isabela ihm mit vor Empörung bebender Stimme ins Wort. »Bedauerlicherweise ist dieser Irrtum nie berichtigt worden. Und nun sitzt eine Hochstaplerin auf dem Thron von Jerusalem, zusammen mit ihrem geistlosen Ehemann.«
    »Auch damit magst du recht haben. Allerdings sehe ich nicht, was wir daran ändern könnten.«
    »Wir müssen etwas daran ändern«, meinte Isabela überzeugt. »Hast du nicht gehört, was ich dir berichtet habe? Dass Sibylla den Mönch Cuthbert ausgesandt hat, um das Reich des Priesterkönigs zu suchen?«
    »Und wenn schon. Viele sind ausgezogen, um jenes sagenumwobene Reich zu suchen, aber nicht einer von ihnen hat es gefunden. Niemand weiß, ob es überhaupt existiert!«
    »Und wenn doch?« Isabela hatte sich halb aufgerichtet. Herausfordernd reckte sie das Kinn vor und stellte dabei aufreizend ihre Brüste zur Schau. »Glaubst du, ich will warten, bis Guy und sie so mächtig geworden sind, dass wir uns ihrer nicht mehr erwehren können?«
    Humphreys Stirn legte sich in Falten. »Was hast du vor?«
    »Ich werde ebenfalls mächtige Unterstützung suchen«, entgegnete Isabela mit einem Tonfall, der klarmachte, dass sie sich bereits entschieden hatte.
    »Bei wem?«
    »Bei jenem Mann, der einst Regent dieses Reiches war und der durch Sibyllas Täuschung ebenso um sein Recht gebracht wurde wie ich.«
    Humphrey schaute ihr prüfend in die tiefblauen Augen. »Raymond?«, fragte er zögernd. »Du willst dich mit dem Grafen von Tripolis verbünden?«
    »Warum auch nicht?«
    »Weil Raymond nicht weniger gefährlich ist als Guy oder deine Schwester! Ich weiß, dass du ihn zu deinen Freunden zählst, aber ich sage dir, dass er deine Stellung und deinen Einfluss nur missbraucht, um sich selbst zu stärken!«
    Isabela hob eine schmale Braue. »Höre ich da eine Spur von Eifersucht?«, fragte sie spitz.
    »Unsinn.« Humphrey schüttelte das dunkelblond gelockte Haupt. »Ich möchte nur verhindern, dass du einen Fehler begehst. Raymond hat schon zu früherer Gelegenheit gezeigt, dass er eine Machtprobe mit Guy und Sibylla scheut. Statt sich ihnen vor dem Adelsrat zu stellen, hat er es vorgezogen, sich nach Tiberias zurückzuziehen. Außerdem …«
    »Was?«, hakte Isabela nach.
    »Außerdem heißt es, dass er mit den Sarazenen paktiert«, fügte Humphrey leiser und fast verschwörerisch hinzu.
    »An diesen Gerüchten ist nichts Wahres – Guy und sein Busenfreund Raynald haben sie in die Welt gesetzt, um den Adel gegen Raymond aufzubringen.«
    »Können wir da so sicher sein?«
    »Alle Adelshäuser, die seit den Tagen der Eroberung im Heiligen Land weilen, unterhalten Verbindungen zu den Sarazenen«, erklärte Isabela achselzuckend. »Dies Licht dort«, sagte sie, auf die Öllampe deutend, »ebenso wie das Kissen, auf das du dein Haupt bettest, oder jenes Papier dort auf dem Tisch – all das besäßen wir nicht, hätten wir nicht von den Sarazenen gelernt und uns ihr Wissen angeeignet. Ihre Religion mag ebenso falsch sein wie ihr Prophet, an den sie so unerschütterlich glauben, aber ganz sicher sind sie nicht die Barbaren, für die sie im Abendland gehalten werden. Weißt du noch, in unserer Hochzeitsnacht? Als die Burg deiner Familie von Sarazenen

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