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Das verschollene Reich

Titel: Das verschollene Reich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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mit breiter Brust. »Die Bedrohung durch Saladins Schwert hat lange genug über uns allen geschwebt. Es ist an der Zeit, ihn und seine heidnische Brut in die Schranken zu weisen.«
    »Wisst Ihr auch, was Ihr da redet, Chatillon?« Balian, das Oberhaupt des Hauses Ibelin, dessen Grundbesitze zu den bedeutendsten im ganzen Königreich gehörten und dessen Wort entsprechendes Gewicht hatte, trat vor. »Die Sarazenen sind nicht mehr, was sie einst waren. Saladin hat die Zeit genutzt und aus seinen einstmals wilden Horden eine schlagkräftige Armee geformt. Diejenigen von uns, die bereits gegen sie gekämpft haben, wissen, wovon ich spreche.«
    Sibylla ließ ihren Blick über die Reihen der Adligen schweifen, um zu sehen, welche Wirkung Balians Worte hinterließen. Die mächtigen Ibelin gehörten nach ihrer Einschätzung zu jenen, die unentschlossen waren, wem ihre Loyalität gehörte, ob sie dem König dienten oder nur sich selbst. Entsprechend bestürzt war Sibylla über die Zustimmung, die sie allenthalben in den Gesichtern sah.
    »Was schlagt Ihr stattdessen vor, Ibelin?«, konterte Raynald höhnisch. »Wollt Ihr die Heiden gewähren lassen? Ihnen tatenlos dabei zusehen, wie sie eine Grenzburg nach der anderen erobern? Einen Überfall nach dem anderen verüben? Schon jetzt sind die Grenzen des Reiches nicht mehr vor ihnen sicher!«
    »Wenn ich mich recht entsinne, Chatillon, seid auch Ihr nicht untätig gewesen, was die Verletzung der Grenzen angeht«, meldete Raynald von Sidon, ein Verbündeter Balians, sich zu Wort.
    »Was ist falsch daran, seinen Besitz zu verteidigen?«, fragte der Gescholtene dagegen. »Wenn die Heiden in mein Land einfallen, nehme ich mir das Recht, es ihnen auf dieselbe Weise heimzuzahlen. Wollt Ihr mir dieses Recht etwa absprechen?«
    »Keinesfalls«, wehrte Balian ab. »Allerdings bin ich sicher, dass Eure sarazenischen Nachbarn eine andere Version der Ereignisse berichten würden.«
    »Und wenn schon! Wem wollt Ihr mehr Glauben schenken? Einem Christen oder den Dienern Mohammeds?«
    »Darum geht es nicht«, widersprach Balian, der den Herrn von Antiochia beinahe um Haupteslänge überragte. »Über Generationen hinweg haben unsere Familien mit den Sarazenen den Frieden gewahrt und Ausgleich gesucht, zu beider Nutzen und Vorteil. Ihr jedoch verachtet unsere Traditionen und habt den Frieden vergiftet!«
    »Wenn das Eure Traditionen sind, Ibelin, so spucke ich darauf«, verkündete Raynald Beifall heischend, »denn sie verraten alles, weshalb unsere Vorfahren in dieses Land gekommen sind und es den Heiden mit ihrem Blut entrissen haben! Ich will keinen Frieden mit den Ungläubigen, schon gar nicht, wenn er auf Verrat beruht.«
    »Vorsicht, Chatillon«, warnte Ibelin. »Ihr wählt gefährliche Worte!«
    Aller Augen richteten sich auf die beiden Edlen, die sich vor dem Thron ihres Herrschers gegenüberstanden und mit glühenden Blicken anstarrten. Sibylla kam es vor, als hätte sich die Stille in der Halle noch mehr verdichtet. Jerusalem bedurfte der Unterstützung Ibelins und Chatillons, zumal wenn Cuthberts geheimer Mission kein Erfolg beschieden war, deshalb durfte es keinesfalls zu einem Zerwürfnis zwischen den beiden kommen.
    Mit einem Seitenblick spähte Sibylla zu ihrem Gatten, doch der schien nicht willens oder in der Lage, die Tragweite des sich anbahnenden Konflikts zu erkennen, geschweige denn ihn zu vermeiden.
    »Es ist die Sorge um das Reich, die unseren Freund Raynald so sprechen lässt«, ergriff Sibylla deshalb spontan das Wort, »deshalb möchten wir Euch bitten, werter Balian, ihm seine unbedacht gewählten Worte nachzusehen.«
    Raynald zuckte wie unter einer Ohrfeige zusammen. Vor den Augen und Ohren des versammelten Adels von einer Frau – selbst wenn sie eine Königin war – in die Schranken gewiesen zu werden, kränkte ihn sichtlich. »Mein König«, wandte er sich hilfesuchend an Guy, »ich …«
    »Ich fürchte, meine Gemahlin hat recht«, pflichtete dieser Sibylla jedoch bei. »Wir dürfen uns nicht schwächen, indem wir uns gegenseitig der Lüge und des Verrats bezichtigen, deshalb ersuche auch ich Euch, ehrenwerter Balian, Raynalds unbedachten Worten keine Beachtung zu schenken.«
    »Was gesagt ist, ist gesagt«, konterte Balian mit einem Seitenblick auf Raynald, »wenn die Königin und Ihr es jedoch wünscht, so werde ich unterlassen, wozu meine Ehre und die meines Hauses mich andernfalls verpflichtet hätten.«
    »Eine Fehde nützt niemandem«, ergriff nun Gérard

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