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Das verschollene Reich

Titel: Das verschollene Reich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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Umgrenzung aneinanderdrängten und darauf warteten, verkauft zu werden.
    Sondern Menschen.
    Sklaven.
    Jenseits des Pferchs war ein hölzernes Podest errichtet worden, auf dem ein arabischer Händler Gefangene zum Verkauf feilbot. Die Kunden, die sich um das Podest scharten, waren Kaufleute aus aller Welt, die die Sklaven als Diener oder Träger einsetzen oder sie ihrerseits verkaufen wollten.
    Ohnmächtiger Zorn schoss Rowan in die Adern. »Diese elenden Barbaren!«, ereiferte er sich.
    »Wenn du das barbarisch findest«, entgegnete Cuthbert, »so denke an unsere Landsleute zu Hause in Schottland. Ist Leibeigenschaft etwas anderes als Sklaverei?«
    Sie langten bei Cassandra an, die wie versteinert am Geländer stand und auf die Gefangenen starrte, sicher, weil es sie an ihr eigenes Schicksal erinnerte. Durch die schmale Öffnung, die das Gesichtstuch frei ließ, konnte Rowan das Entsetzen sehen, das sich in ihren Augen spiegelte, und einmal mehr hatte er das Gefühl, sie beschützen zu müssen.
    »Es ist gut«, sprach er ihr leise zu, obwohl er wusste, dass sie ihn nicht verstehen konnte. Vielleicht, so hoffte er, würde der Klang seiner Stimme sie ein wenig trösten. »Es ist vorbei, hörst du?«
    Auch Cuthbert raunte ihr einige Worte auf Arabisch zu, doch sie zeigte keine Reaktion und starrte weiter auf das Bild des Schreckens – bis sie plötzlich herumfuhr und die Flucht ergriff!
    »Cassandra!«, rief Rowan.
    »Bleib ihr auf den Fersen«, wies Cuthbert ihn an, »wir dürfen sie nicht verlieren!«
    Das brauchte Rowan nicht zweimal gesagt zu werden. So schnell der weite Kaftan und die Sandalen an seinen Füßen es zuließen, setzte er der jungen Frau hinterher, die mit katzenhafter Gewandtheit an der Kamelkoppel vorbei und durch die engen Verkaufsgassen huschte. Rowan hatte ungleich mehr Probleme voranzukommen. Als er sich quer durch eine Gruppe von Wasserträgerinnen rempeln musste, ließen einige ihre Schöpfgefäße fallen, die klirrend zu Bruch gingen. Irgendwer rief Rowan unfreundlich klingende Worte hinterher, aber er scherte sich nicht darum. Seine ganze Aufmerksamkeit galt Cassandra, die offenbar dem Treiben auf dem Markt entfliehen wollte und in eine wenig belebte Gasse zwischen zwei Lagerhäusern abbog.
    Ohne Zögern lief Rowan ihr nach, und da ihn nun keine Hindernisse mehr aufhielten, hatte er sie schon nach wenigen Schritten eingeholt.
    »Bleib stehen!«
    Er packte sie an der Schulter und drehte sie herum. Sie schrie auf und wehrte sich, indem sie wild um sich schlug. Rowan, wütend über ihre Flucht und den grundlosen Angriff, packte ihre Handgelenke, und sie rangen einen Augenblick lang miteinander. Dabei löste sich das Tuch um ihr Gesicht, und er sah die Tränen, die an ihren Wangen herabrannen, die Verzweiflung in ihren Augen.
    Seine Wut verpuffte augenblicklich.
    »Es … es tut mir leid«, versicherte er ihr und ließ sie los, trat einen Schritt zurück, wobei er beschwichtigend die Hände hob. »Ich wollte dir nicht wehtun, verstehst du?«
    Sie hatte sich von ihm abgewandt und schluchzte leise. Das rote Haar hing ihr wirr in die Stirn.
    »Kann ich dir irgendwie helfen?« Unbeholfen trat Rowan von einem Fuß auf den anderen. Er wagte nicht mehr, sie zu berühren, wusste aber auch nicht, was er sonst tun sollte. Umso erleichterter war er, als Bruder Cuthbert in der Gasse anlangte. Der alte Mönch war ihnen gefolgt, so rasch er es vermochte, entsprechend schwer und heftig ging sein Atem.
    »Was … ist … los?«, erkundigte er sich.
    »Ich weiß nicht«, erwiderte Rowan leise. »Ich nehme an, es ist ihre Erinnerung. Vielleicht kehrt sie allmählich zurück.«
    Cuthbert nickte, dann fragte er Cassandra etwas auf Arabisch. Sie antwortete, ohne ihn anzusehen, leise und schluchzend.
    »Was sagt sie?«, wollte Rowan wissen.
    »Dass der Anblick der Sklaven sie erschreckt hat. Und dass sie große Angst hat.«
    »Wovor?«, fragte Rowan, und Cuthbert übersetzte. Cassandra überlegte einen Augenblick, dann antwortete sie erneut.
    »Vor dem, was sie über sich herausfinden könnte«, erklärte Cuthbert.
    Rowan holte tief Luft. Unwillkürlich fühlte er sich an die Worte Farids erinnert, und zum ersten Mal beunruhigte ihn der Gedanke, nicht zu wissen, wer diese junge Frau war.
    Woher kam Cassandra tatsächlich?
    Wie war sie damals nach Abu Kemal gelangt?
    Und weshalb schien sie sich vor sich selbst zu fürchten?
    Sie wandte sich zu den Mönchen um und sagte erneut etwas, worauf Cuthbert erstaunt die Brauen

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