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Das verschollene Reich

Titel: Das verschollene Reich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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an«, beschied Rowan ihm barsch, doch Farid grinste nur.
    »Ich richtig«, meinte der Führer überzeugt, und einen Augenblick lang schien er sich seines Triumphs zu erfreuen, ehe sein Lächeln wieder verschwand. »Aber nicht gut. Vertrauen Frau nicht gut.«
    »Blödsinn«, knurrte Rowan, »was weißt du schon von Vertrauen? Oder auch nur von Treue?«
    »Nichts.« Farid kicherte freudlos. »Aber alles über Frauen. Wird uns verraten. Früher oder später.«
    Rowan holte tief Luft, um zu einer scharfen Erwiderung anzusetzen, als Bruder Cuthbert den Stall betrat.
    »Fertig?«, wollte er wissen.
    Rowan wuchtete den letzten Sattel auf den Ständer. »Jetzt ja«, bestätigte er.
    »Dann komm mit. Wir müssen auf dem Markt Vorräte besorgen.«
    Rowan nickte und folgte seinem Meister nach draußen – nicht ohne Farid noch mit einem warnenden Blick zu bedenken. Der Führer nickte nur, als wollte er seinen Worten noch mehr Nachdruck verleihen.
    Draußen wartete Cassandra. Wie immer trug auch sie ihren Kaftan. Das Tuch hatte sie so gewickelt, dass von ihren Haaren nichts zu sehen war. Gemeinsam schlugen sie den Weg zu den Märkten ein, die das Zentrum von Abu Kemal bildeten und um die sich alle anderen Gebäude gruppierten. Obwohl es später Nachmittag war, herrschte reges Treiben. Händler aus allen Teilen der Welt waren dabei, ihre Warenbestände zu ergänzen oder gegen andere einzutauschen: Weine und Öle, Kupfer, Zinn und Bronze, Baumharz und Gewürze, Seide und Glas wurden ebenso umgeschlagen wie ein weiteres Material, das so weiß war, dass es Rowan in den Augen blendete, zugleich aber so zerbrechlich wie Glas. Als ein Träger gegen eine Vase aus diesem Material stieß, ging sie zu Bruch, was einen der Händler in lautes Gezeter ausbrechen ließ. Außerdem wurde ein seltsam aussehendes, grünlich schimmerndes Gestein gehandelt, das Rowan noch nie zuvor gesehen hatte und das Cuthbert »Jade« nannte.
    Auch einen Markt für Reit- und Lasttiere gab es, auf dem die Karawanenführer ihre Kamele verkaufen oder zusätzliche Tiere erwerben konnten. Mit Verblüffung sah Rowan, dass den meisten der Dromedare ein Vorderlauf hochgebunden war, sodass sie auf drei Beinen umherstaksten: eine Vorsichtsmaßnahme, damit sie nicht entlaufen konnten, wie Cuthbert erklärte. Und noch etwas erblickte Rowan, das ihm einen überraschten Aufschrei entlockte.
    »Seht!«
    Abrupt blieb er stehen und starrte mit weit aufgerissenen Augen auf die beiden Tiere, die mit dicken Seilen angepflockt waren und offenbar ebenfalls zum Verkauf standen: Von dunkler Farbe und gewaltiger Größe waren sie, mit einer Haut wie mehrfach gegerbtes Leder und großen Ohren, die Beine so dick wie Säulen. Am eigenartigsten jedoch war der lange Fortsatz anzusehen, der aus dem Haupt der Tiere ragte und unentwegt hin und her pendelte, flankiert von kurzen, an Krummdolche erinnernden Zähnen.
    »Elefanten«, erklärte Cuthbert und erfüllte damit das Wort, das Rowan bislang nur gekannt hatte, ohne eine Vorstellung davon zu haben, mit Bedeutung. »Und?«
    Noch immer verharrte Rowan ehrfürchtig. Fassungslos blickte er auf die riesigen Kreaturen. »Das … das ist der Beweis«, stammelte er.
    »Der Beweis? Wofür?«
    »Dass der Brief die Wahrheit sagt«, erklärte Rowan triumphierend, dankbar dafür, endlich einmal klüger zu sein als sein Meister. »Hieß es darin nicht, dass das Land des Presbyters die Heimat der Elefanten sei? Das ist der Beweis, dass dieses Land tatsächlich existieren muss!«
    Cuthbert war ebenfalls stehen geblieben. Einen endlos scheinenden Augenblick starrte er Rowan an, offenkundig sprachlos über dessen Scharfsinn – dann brach er in schallendes Gelächter aus.
    »Meister!«, rief Rowan entsetzt. »Was habt Ihr?«
    »Nichts«, versicherte der alte Mönch, der sich nur mühsam wieder beruhigen konnte, »bitte verzeih. Ich fürchte nur, mein Junge, dass du noch sehr viel mehr über Gottes weite Welt lernen musst. Nicht wahr, Cassandra? Cassandra …?«
    Als die junge Frau nicht antwortete, wandte Cuthbert sich nach ihr um – nur um festzustellen, dass sie nicht mehr da war.
    »Cassandra?«
    Hektisch ließen Rowan und er den Blick über die geschäftige Menge gleiten; die Elefanten waren vergessen. Zu ihrer Erleichterung brauchten sie die Gefährtin nicht lange zu suchen. Sie war nur wenige Schritte weitergegangen und stand am hölzernen Geländer eines Pferchs, der sich an den Kamelmarkt anschloss.
    Doch es waren keine Tiere, die sich innerhalb der

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