Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das verschollene Reich

Titel: Das verschollene Reich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
Vom Netzwerk:
sich die beiden Kontrahenten über die gekreuzten Klingen hinweg an.
    »Du hast den falschen Weg gewählt, Kathan. Die Hexe wird dich das Leben kosten!«
    »Hör auf zu schwatzen, Gaumardas! Ein einziges Mal in deinem jämmerlichen Leben benimm dich wie ein Mann!«
    Hass verzerrte die Züge des Rothaarigen. Er stieß seinen Gegner von sich und holte zu einem weiteren Hieb aus, den Kathan ebenfalls parierte. Er warf sich nach vorn und rempelte Gaumardas hart an der Schulter, worauf dieser ins Taumeln geriet und gegen den Baum prallte, an dessen Fuß er über das wehrlose Kind hergefallen war. Für einen Moment war er abgelenkt, und so sah er Kathans Klinge zu spät kommen. Sie traf ihn hart am rechten Oberarm.
    Das Kettengeflecht fing die Wucht des Aufpralls ab, konnte jedoch nicht verhindern, dass die Schwertspitze hindurchdrang und ins Fleisch schnitt. Gequält schrie Gaumardas auf und ließ sein Schwert fallen, fiel auf die Knie, wo sein Geschrei in ein Winseln überging, das mehr an einen Hund als an einen Menschen erinnerte.
    »Verschone mich, Bruder«, ächzte er, den Blick demütig gesenkt. »Ich bitte dich, Kathan, um der Vergangenheit willen, um all der Schmerzen willen, die wir gemeinsam im Kerker ertragen haben. Lass mich am Leben!«
    Kathan stand schwer atmend über ihm, das Schwert in der Hand. Übelkeit hatte ihn erfasst, nur mit Mühe konnte er sich auf den Beinen halten. Der unbändige Zorn, den er verspürte, drängte ihn dazu, einfach zuzustoßen und diese jämmerliche Existenz zu beenden … doch konnte er einen Mann töten, der wehrlos vor ihm auf dem Boden kniete und um Gnade flehte? Einen Mann, der sein Waffenbruder gewesen war?
    Kathan spuckte aus.
    Er hatte genug Blut gesehen, genug Morde. Unwillkürlich ließ er sein Schwert sinken, als ein erneuter Blutschwall in sein Auge rann. Unbeholfen wischte er sich mit dem Ärmel über das Gesicht, konnte einen Moment lang nichts sehen – als ein schriller Ruf erklang.
    »Kathan! Vorsicht!«
    Der Warnschrei des Mädchens brachte ihn dazu, den Arm sinken zu lassen, und zwischen Schleiern von rotem Blut sah er eine Gestalt, die sich ihm in gebückter Haltung entgegenwarf, einen blanken Dolch erhoben, um ihn Kathan in die Eingeweide zu rammen.
    Gaumardas!
    Kathans Reaktion war die eines Mannes, der zahllose Schlachten geschlagen und überlebt hatte. Sein Schwertarm zuckte empor, noch ehe er selbst begriff, was er tat, und die Spitze der Klinge bohrte sich in Gaumardas’ Kehle. Der Aufprall erfolgte mit derartiger Wucht, dass der Stahl im Nacken des Mannes wieder austrat. Jäh kam sein Angriff zum Halt, und einen endlosen Augenblick lang stand er vor Kathan, mit durchbohrter Kehle, Mund und Augen weit aufgerissen.
    Grauen erfasste Kathan. Mit einem Ruck zog er die Klinge zurück, worauf sich Sturzbäche von hellrotem Blut aus Gaumardas’ Hals und Mund ergossen. Noch einen Augenblick lang hielt der Templer sich aufrecht, dann brach er zusammen und starb, verblutend wie ein waidwundes Tier, just am Ort seines Verbrechens.
    Kathan würdigte ihn keines weiteren Blickes, stattdessen wandte er sich dem Mädchen zu, das am Boden kauerte, die Reste seiner Kleidung an sich pressend und erbärmlich frierend. An der Schulter hatte es eine Verbrennung davongetragen, das Haar war angesengt, und der Blick, mit dem es Kathan bedachte, war so voll namenlosem Schrecken, als hätte es in den dunkelsten Höllenpfuhl geblickt.
    In diesem Augenblick kehrte Mercadier von seiner Erkundung zurück. Sein Pferd am Zügel führend, trat der Anführer der Templer auf die Lichtung – und blieb betroffen stehen.
    Er sah das Mädchen.
    Den toten Gaumardas am Boden.
    Sah Kathan, die blutige Klinge noch in der Hand.
    »Bruder«, entfuhr es ihm, »was hast du getan?«
    Und Kathan wandte sich ab und übergab sich.

----
3
----

    »Wenn das Holz ausgeht, erlischt das Feuer;
wo kein Verleumder ist, da ruht der Streit.
Kohlen schüren die Glut und Holz das Feuer;
so schürt ein zänkischer Mann den Streit.«
    Sprüche 28,2
    Festung Tiberias
Anfang März 1187
    »Ihr habt mich zu sprechen verlangt, Herr?«
    Graf Raymond wandte sich um, die Hände zu Fäusten geballt und tiefe Sorgenfalten auf der hohen Stirn. Der Herr von Tripolis nickte düster, worauf der Besucher eintrat, die Tür der Kammer sorgfältig verschloss und sich tief verbeugte.
    »Wie kann ich Euch zu Diensten sein, Herr?«
    »Indem Ihr mir gut zuhört«, entgegnete Raymond. Das Schriftstück in den Händen, das ihm der Bote

Weitere Kostenlose Bücher