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Das verschollene Reich

Titel: Das verschollene Reich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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lauter. Erneut schnellte sein Haupt empor, und diesmal kam er frei – ein Stück von seinem Ohr jedoch blieb im Mund des Mädchens zurück.
    »Du Hexe! Dafür wirst du sterben!«
    Durch die Tränenschleier vor ihren Augen sah sie seine Hand heranfliegen, die mit furchtbarer Wucht in ihr Gesicht klatschte. Sie sog scharf die Luft ein und verschluckte sich dabei fast an ihrer Beute, würgte und spuckte, während er sie bei den Schultern packte und emporriss.
    »Brenne, du elende Missgeburt!«
    Der Stoß, den er ihr versetzte, war so heftig, dass sie wie ein Stück Holz durch die Luft flog – und wie ein Stück Holz landete sie im Feuer. Hitze und helle Flammen, sengender Schmerz an ihrer linken Schulter. Sie schrie auf und rollte sich zur Seite, wälzte sich aus der Glut, den Gestank von verbranntem Haar in der Nase. Hustend und nach Atem ringend, wollte sie davonkriechen – doch ihre Flucht endete vor einem Paar mit Kettengeflecht gepanzerter und sporenbeschlagener Stiefel.
    Entsetzt blickte sie daran empor, wissend, dass ihr Leben nun zu Ende war, dass sie ein elendes Ende in den Flammen finden würde. Doch die blassen, blutüberströmten Züge, die entsetzt auf sie herabstarrten, waren nicht die von Gaumardas.
    Sie gehörten Kathan.
    Gellende Schreie rissen Kathan aus seiner Bewusstlosigkeit.
    Einen Augenblick lang kam es ihm vor, als sei es sein eigenes Geschrei, das über die hämmernden Schmerzen in seinem Schädel klagte, aber schon im nächsten Moment wurde ihm bewusst, dass jemand ganz anderes aus Leibeskräften schrie.
    Gaumardas.
    Kathan schlug die Augen auf. Erst halb bei Bewusstsein, schoss er in die Höhe. Schwerfällig kam er auf die Beine, aber er konnte nichts sehen, wischte sich mit fahrigen Bewegungen das Blut aus dem Gesicht, das von der klaffenden Wunde an seiner Schläfe rührte.
    Dann sah er sie.
    Das Mädchen, das sich am gefrorenen Boden wälzte, halbnackt und mit Glut in den Haaren, aus den Mundwinkeln blutend.
    Und Gaumardas, der auf seinen Knien über den Boden kroch und wie von Sinnen schrie. Seine Hände hatte er auf sein linkes Ohr gepresst, Blut rann zwischen den Fingern hervor. Rüstzeug, Beinlinge und Bruche lagen am Boden verstreut. Nur den Waffenrock hatte er noch an, der blutbesudelt war.
    Trotz seines Zustands und der hämmernden Schmerzen in seinem Kopf begriff Kathan sofort, was vor sich ging. Der Anblick des Mädchens, das blutend und hilflos am Boden lag und am ganzen Körper vor Angst zitterte, zerriss ihm das Herz in der Brust.
    »Gaumardas!«
    Der Rothaarige blickte auf, sah Kathan vor sich stehen – und zuckte entsetzt zusammen. »Bruder«, winselte er.
    »Du solltest mich nicht so nennen«, entgegnete Kathan, während er nach seinem Schwert griff und es aus der Scheide zog. »Ich hatte dir gesagt, was geschieht, wenn du noch einmal Hand an sie legst.«
    »Aber …« Gaumardas richtete sich halb auf die Knie, eine erbärmliche, würdelose Gestalt. »Ich habe es auch für dich getan, Bruder, verstehst du nicht? Der Dämon musste ihr ausgetrieben werden!«
    »Steh auf«, verlangte Kathan, des Blutes ungeachtet, das nach wie vor an seiner Schläfe herabrann und in seine Augen lief. Das Schwert hatte er inzwischen in der Hand, die Spitze zeigte auf Gaumardas.
    »Das … wirst du nicht tun«, stieß Gaumardas hervor, während er sich mühsam auf die Beine raffte, eine Hand nach wie vor an seinem blutenden Ohr. »Wer einen Mitbruder tötet, der wird des Ordens verwiesen.«
    »Du bist nicht mein Bruder«, beschied Kathan ihm hart. »Du bist ein Tier, Gaumardas. Nicht mehr und nicht weniger.«
    »So siehst du mich?« Ein irrsinniges Lachen drang aus der Kehle des Rothaarigen, seine beiden Münder grinsten. »Seltsam – dabei habe ich stets nur das Beste für uns alle gewollt.«
    »Dein Bestes«, knurrte Kathan, »gereicht dem Orden nur zur Schande. Zieh dein Schwert und verteidige dich! Oder soll ich dich einfach durchbohren wie ein Schwein? Willst du so ehrlos sterben, wie du gelebt hast?«
    Gaumardas kicherte weiter, wandte sich halb ab, als würde er Kathans Herausforderung für einen Scherz halten – dann, blitzschnell, wirbelte er herum, und sein Schwert flog aus der Scheide, ging ansatzlos zur Attacke über.
    Kathan war darauf gefasst gewesen. Obwohl er nur mit einem Auge sehen konnte, riss er seine eigene Klinge empor und blockte den Schlag ab, der mit Wucht, aber ohne Finesse geführt war. Funken stoben, als Stahl auf Stahl traf, und einen Augenblick lang starrten

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