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Das verschollene Reich

Titel: Das verschollene Reich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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aufrecht und gemessenen Schrittes. Der weiche Boden schmatzte unter seinen Füßen und verursachte verräterische Geräusche, sodass der Turkopole ihn hörte, noch ehe er ihn sah.
    »Halt! Wer da?«, rief der Wächter und senkte seinen Speer in die schier undurchdringliche Schwärze, die jenseits des Fackelscheins herrschte.
    »Ich bin es.« Kathan löste den schwarzen Umhang, den er um die Schultern geschlungen hatte. Er konnte die Erleichterung im Gesicht des Soldaten sehen, als er den weißen Waffenrock mit dem Kreuzsymbol erkannte. »Ich wünsche die Gefangene zu sprechen.«
    »Die Gefangene?« Die milchbärtigen Züge des Turkopolen zuckten. »Verzeiht, Herr, aber der praeceptor hat angeordnet, dass nur er die Gefangene besuchen darf.«
    »Ich weiß«, behauptete Kathan. »De Lacy hat mir die Erlaubnis erteilt. Der Passierschein trägt sein Siegel, sieh her.«
    Der Posten ließ den Speer sinken und trat näher, um zu sehen, was Kathan aus dem ledernen Beutel an seinem Gürtel zutage befördern würde. Doch kaum war er heran, griff Kathan blitzschnell an den Griff seines Schwertes und riss es so heraus, dass der Knauf den Soldaten mitten ins Gesicht traf.
    Die Nase des Turkopolen brach mit hässlichem Knacken, Blut schoss hervor. Der Schmerz war so heftig, dass der Soldat nicht in der Lage war, Gegenwehr zu leisten. Er ließ den Speer fallen und beugte sich nach vorn, worauf Kathan ihm die Faust in den Nacken schmetterte. Ächzend ging der Mann zu Boden und blieb reglos im Morast liegen. Kurzerhand griff Kathan nach dem herrenlosen Speer, setzte sich den Helm des Wächters auf und schloss den Umhang wieder. Dann stürmte er die Stufen hinauf und klopfte an die Tür.
    »Wer da?«, drang es von drinnen heraus.
    »Ich bin es«, wisperte Kathan, wissend, dass eine geflüsterte Stimme nicht von der anderen zu unterscheiden war. »Komm schnell, es ist etwas passiert!«
    Der in die Tür eingelassene Sehschlitz wurde geöffnet, und ein forschendes Augenpaar erschien, das sofort den leblos am Fuß der Treppe liegenden Körper bemerkte.
    »Allmächtiger!«, schnaubte jemand, dann wurde der Riegel zurückgezogen und die Tür geöffnet – und Kathan handelte.
    Er hatte sich so neben der Tür postiert, dass er den Arm des Wächters sofort zu greifen bekam. Mit aller Kraft riss er daran, sodass der Soldat überrascht nach vorn taumelte. Erneut schlug Kathan mit dem Knauf des Schwertes zu, dann stieß er den Wächter so hart gegen die Wand, dass er bewusstlos daran niedersank. Der Weg ins Haupthaus stand offen!
    Rasch schlüpfte Kathan hinein, Helm und Speer ließ er am Eingang zurück, sie würden ihm nur hinderlich sein. Ohne Zögern schlug er den Weg zu der Treppe ein, die von der Eingangshalle in den niedrigen Keller führte. Dort befand sich der carcer der Komturei; pflichtvergessene Ordensmitglieder wurden hier eingesperrt, um kleinere Vergehen zu sühnen, auch säumige Diener und Knechte hatten bisweilen die zweifelhafte Ehre, hier zu verweilen – und ein kleines Mädchen, das sich seit ein paar Tagen in der Gewalt des praeceptors von Metz befand.
    In einer Wandhalterung am oberen Ende der Treppe steckte eine Fackel, die flackerndes Licht verbreitete. Kathan nahm sie heraus und stieg die Treppe hinunter, hinab in die feuchte, nach Moder riechende Dunkelheit.
    »Wer ist da?«
    Am Fuß der Treppe versah ein weiterer Posten seinen Dienst: ein grobschlächtiger Bursche mit rotem Gesicht und klobigen Pranken. Im Schein eines Talglichts kauerte er auf einem Schemel und hatte offenbar geschlafen, denn als sich Kathan näherte, schoss er wie von Flöhen gebissen in die Höhe. Dabei klirrte es an seinem Gürtel, und mit Genugtuung gewahrte Kathan den Schlüsselbund, der dort hing.
    »Ich bin es nur«, wiederholte er seinen Spruch, um den Mann in Sicherheit zu wiegen, dann hatte er auch schon das Ende der Treppe erreicht, und alles ging blitzschnell. Indem er ihm die Fackel ins Gesicht stieß, machte Kathan den Wächter kampfunfähig, und noch ehe der Kerl begriff, was geschah, hatte er bereits die Spitze von Kathans Schwert an der Kehle.
    »Wo ist das Mädchen?«, verlangte der Templer zu wissen.
    »Welches Mädchen?«, fragte der Wächter, auf dessen Stirn sich trotz der klammen Kälte kleine Schweißperlen bildeten.
    »Tu das nicht.« Kathan verstärkte kurzerhand den Druck hinter der Klinge. »Lass es dich nicht das Leben kosten. Zeig mir, wo das Mädchen festgehalten wird, und öffne die Zellentür. Mehr verlange ich

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