Das verschwundene Kind
Alhallaks bleiben könnte«, sagte Stephan beim Betreten des Büros zu Hölzinger.
»Die bekämen nie im Leben eine Erlaubnis für die Adoption«, wandte dieser ein.
»In Marokko bestimmt. Hast du ja gerade gehört«, konterte Stephan.
Hölzinger grinste. »Klar, Bakschisch ist auch so ein arabisches Wort.«
»Als ob es das hier nicht gäbe!«, entgegnete Stephan.
Wieder nagte in ihm der Gedanke, was diesen Florian Sauer dazu getrieben hatte, das Kind zu verstecken. Voller Groll dachte er an die Bemerkung der Stummer: Der Florian ist ein Kümmerer, so ein ganz Lieber. Hölzinger nieste und schaute ungeduldig auf die Uhr.
»Jetzt können wir eigentlich Schluss machen, oder?«
»Der Bericht ist noch nicht fertig«, mahnte Stephan.
»Hat das nicht Zeit bis morgen?«, drängte Hölzinger.
»Morgen ist Anselm Kling von seinem Kongress zurück und kommt hierher.«
Hölzinger schneuzte sich. Seine Augen waren glasig. »Ich habe bestimmt Fieber.«
»Wir müssen uns heute Abend auf jeden Fall noch Florian Sauer greifen.«
»Du willst ja nur nicht, dass ich mich mit Sümeyye treffe.«
»Es ist mein Ernst, dass wir heute Abend noch zu Florian Sauer müssen.«
»Weswegen willst du ihn denn verhaften?«, fragte Hölzinger.
Stephan brauste auf: »Na, hör mal, immerhin hat er sich das Kind genommen und es vor uns versteckt.«
Ein mitleidiges Lächeln glitt über Hölzingers Gesicht. »Er ist der Vater. Er kann sein Kind betreuen lassen, von wem er will. Außerdem hat er ihm sogar das Leben gerettet. Einen Tag länger bei dieser Schnapsdrossel, und es wäre vorbei gewesen. Und vor uns hat er gar nichts versteckt, er wusste ja noch nicht einmal, dass wir nach dem Kind suchen.«
»Oh, Mann, du redest ja schon wie sein Anwalt. Und so einfach ist es auch wieder nicht. Florian Sauer hat noch kein Sorgerecht, erst muss er mal die Vaterschaft offiziell anerkennen.«
Hölzinger hob die gefalteten Hände in die Höhe. »Heiliger Sankt Bürokratius«, sagte er und stöhnte, »das ist ja nun wirklich das geringste Problem und muss nicht heute Abend geklärt werden.«
»Na gut, dann geh jetzt zu deinem türkischen Abendessen«, gab Stephan endlich nach, und Hölzinger verschwand sofort.
Stephan setzte sich an seinen Schreibtisch und schrieb weiter an dem Bericht, da die Erinnerung jetzt noch frisch war. Wenig später kam Ernestine herein und setzte sich ihm gegenüber an Hecks Schreibtisch.
»Du hast auch kein Zuhause, oder warum sitzt du noch hier?«
»Ich will das erledigen. Morgen kommt wieder was Neues dazu, und da verliert man schnell den Überblick.«
»Sehr ordentlich!«, lobte sie.
»Was macht Hecks Schuss«, fragte er scherzhaft.
»Er hat sich eine Spritze geben lassen. Ich konnte ihn anschließend nur mit Mühe davon abhalten, hier wieder aufzutauchen. Er hätte es fertiggebracht, mit dir auf der Brücke herumzuturnen. Morgen will er unbedingt dabei sein, wenn wir mit Anselm Kling sprechen.«
Stephan nickte. »Das wird nicht nur ein Gespräch, sondern es wird in eine Vernehmung ausarten.«
»Ach, wieso?«, fragte sie.
»Morgen habt ihr meinen Bericht, dann könnt ihr alles nachlesen.«
Es war bereits dreiundzwanzig Uhr, als er endlich den Computer herunterfuhr. Sollte er Maren jetzt noch anrufen? In den letzten Tagen war es nicht so einfach mit ihr gewesen. Sie reagierte kurz angebunden und ging ihm aus dem Weg. Am Sonntag wäre vielleicht Zeit, einmal ausführlich zu sprechen. Das nahm er sich vor. Er schickte ihr eine SMS und erhielt keine Antwort.
Dann verließ er das Präsidium. Es gab noch einige Fenster, hinter denen es hell war. Die Luft war kalt und feucht, aber es hatte aufgehört zu regnen. Er schwang sich auf sein Fahrrad und fuhr den Dreieichring entlang Richtung Kaiserlei. Diese Brücke würde er so schnell nicht wieder betreten. Am Main angekommen, wählte er die entgegengesetzte Richtung. Er fuhr einen großen Umweg über die Karl-Ullrich-Brücke in den Frankfurter Stadtteil Fechenheim. Von dort aus gelangte er über die Hanauer Landstraße ins Ostend und übernachtete nicht bei Maren, sondern in seiner Wohnung.
[home]
Samstag, der 10. November
H eck thronte wieder hinter seinem Schreibtisch. Er wirkte noch breiter als sonst, weil er sich in die Sicherheitsweste gezwängt hatte, die seinen Oberkörper in einen prallen Insektenpanzer verwandelte.
»Jetzt guck mich nicht die ganze Zeit an, als käme ich vom Mars«, sagte er keuchend. »Ich hab die Weste angezogen, weil dadurch die
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