Das verschwundene Kind
Toten gefunden, was genau, wird noch weiter untersucht. Weiterhin gab es Abdrücke am Hals, die vermutlich von einer dünnen Goldkette stammen. Ein Kettenglied davon lag auf dem Teppich, 585 er Gold. Die Kette muss also während der Tat zerrissen sein. Kette und Tuch sind bis jetzt nicht gefunden worden.«
»Wow! Eine Muslimin, die mit einer Weihnachtskordel erdrosselt wird, das ist ja mal was«, witzelte Hölzinger. Niemand reagierte.
Stephan schließlich verzog das Gesicht, als habe er auf etwas schlecht Schmeckendes gebissen, und fuhr fort: »Daran ist sie nicht gestorben, also durch das Würgen, äh, Strangulieren, mit Tuch oder Kordel, sondern weil sie bewusstlos auf dem Rücken lag und ihr die Zunge in den Hals gerutscht ist. Da … wir sie aber bäuchlings mit dem Kopf in Seitenlage fanden, muss jemand ihre Lage nach dem Tod noch einmal verändert haben. Das muss einige Stunden nach dem Tod gewesen sein, was man aus der Verteilung der Totenflecken schließen kann. Vielleicht hat das der Mörder getan, vielleicht aber auch jemand, der sie später tot auffand. Todeszeitpunkt: Freitagabend gegen siebzehn Uhr. Am Montagmorgen ging ein anonymer Anruf beim Zweiten Revier ein. Eine männliche Stimme, vermutlich verstellt, meldete kurz die Adresse und dass dort in der Wohnung eine Tote zu finden sei. Weitere Ergebnisse: Özlem Onurhan hat vor etwa zwei bis drei Wochen ein Kind geboren. Vermutlich unter professioneller Betreuung, denn es gibt einen medizinisch exakt versorgten Dammschnitt. Zu dem Kind muss sie auch am Todestag noch Kontakt gehabt haben, da Säuglingshaare und Speichel mit Muttermilchresten an ihrer Kleidung gefunden wurden. Sie hatte eine leichte Entzündung der Milchdrüsen. Vermutlich, weil sie das Kind nicht regelmäßig gestillt hat, so dass es zu einem Milchstau gekommen ist. Dann gibt es da noch alle möglichen Fussel und Haare. Viele Menschenhaare, von blond über braun bis schwarz. DNS wird gesichert. Ach so, wir sollen sicherheitshalber auch noch einmal Haarproben abgeben, steht hier, und Fusselproben von der Kleidung, die … nein, Moment, da bin nur ich gemeint, also von mir wollen sie das, weil ich vorher an der Toten dran war. Und dann wurden auch noch Tierhaare gefunden«, schloss er und sah in die Runde. Dabei versuchte er, mittels Pokergesicht möglichst zu verbergen, wie peinlich ihm sein unprofessioneller Auftritt am Tatort inzwischen war.
Ernestine rettete die Situation, indem sie ablenkte.
»Tierhaare?«, fragte sie.
Stephan vertiefte sich noch einmal in den Bericht, den er vorher nicht gelesen hatte, weil er die Lektüre des Sportteils in der
Offenbach Post
vorgezogen hatte.
»Ja, Tierhaare. In der Wohnung und auch an der Kleidung der Toten. Katzenhaare, rötlich und weiß, und Kaninchenhaare, Angora, eingefärbt.«
»Na prima, dann können wir die Rasterfahndung noch auf das Tierheim am Buchhügel ausweiten«, sagte finster der Alte und richtete seinen Blick auf Tobias Hölzinger. Der sog hörbar Luft ein, um etwas zu erwidern, doch Heck hinderte ihn sofort mit einer abwehrenden Handbewegung daran.
»Ich will jetzt Vorschläge!«, donnerte Heck.
Wenig später befand sich Lars Stephan auf einem sonnigen Herbstspaziergang durch den Dreieichpark Richtung Frankfurter Straße. Bei ihren Planungen für das weitere Vorgehen hatten sie beschlossen, dass es bei der Vielfalt der Ermittlungsansätze besser sei, wenn man, in Zweiergruppen aufgeteilt, den verschiedenen Spuren nachginge. Gerhard Heck und Ernestine Hoff wollten nach dem Baby fahnden. Stephan hatte mit unbeweglicher Miene dagesessen, als Heck ihm ausgerechnet Tobias Hölzinger als Teampartner zuteilte. Sie sollten das soziale Umfeld Özlem Onurhans erkunden. Bereits auf dem Parkplatz vor dem Präsidium hatte er sich mit einer spitzfindigen Idee seiner lästigen Begleitung entledigt, über die er sich jetzt noch diebisch freute.
»Hör zu, Hölzinger«, hatte er den jungen Kollegen angefüttert, »ich habe einen besonderen Auftrag für dich, ein bisschen konspirativ, könnte aber eine wirklich heiße Spur werden. Ich hab da nämlich einen Tipp bekommen. Es gibt eine Person, die die Tote eventuell gekannt hat, und die müsste man mal genauer unter die Lupe nehmen. Du verstehst?«
Tobias Hölzinger war sofort Feuer und Flamme für den besonderen Auftrag, der in seiner Phantasie vermutlich sofort zum entscheidenden Schlüssel für die Lösung des Falls wurde. Daraufhin hatte Stephan ihm Marens Namen und Adresse
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