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Das verschwundene Kind

Das verschwundene Kind

Titel: Das verschwundene Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Bezler
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knallbuntem Plastikspielzeug erklommen. Der Berg kam ins Rutschen und bewegte sich bedrohlich auf ihn zu. Er versuchte zu entkommen, doch sein Körper gehorchte nicht. Maren stieß ihn sanft in die Seite.
    »Könntest du dir das vorstellen?«
    »Nein«, stöhnte er auf und war mit einem Schlag hellwach. Wovon hatte sie da eben gesprochen? Vom Kinderkriegen? Er spürte, wie sie sich von ihm wegdrehte.
    »Warum nicht?«, fragte sie.
    Er wartete ein bisschen zu lange mit seiner Antwort und sagte zögerlich: »Jedenfalls jetzt noch nicht.«
    »Und warum jetzt noch nicht?«, kam es prompt.
    Er wandte sich ihr zu und fasste sie sanft an der Schulter: »Weil es doch erst einmal ganz schön wäre, wenn wir beide so ganz in Ruhe zueinanderfinden und viel Zeit miteinander haben können. Die sollten wir nutzen, bevor wir uns mit allerlei Pflichten beladen. Außerdem kosten Kinder ein Vermögen. Und von meiner Ex bin ich immer noch nicht geschieden.«
    Er fand, dass er sehr gut argumentiert hatte, und versuchte, sie mit zärtlichem Druck herumzuziehen. Doch sie blieb starr liegen und zeigte ihm weiterhin ihren Rücken. Eine Weile herrschte Schweigen. Er hoffte schon, sie sei vielleicht eingeschlafen.
    »Übermorgen kommt Julia zurück«, sagte sie plötzlich mit spröder Stimme und rückte bis zur äußersten Bettkante von ihm ab. Er schaute ratlos auf die Silhouette ihres Körpers im Dämmerlicht und wusste nicht, was er falsch gemacht haben sollte. War sie am Ende auf dem Kindertrip? Torschlusspanik im Hinblick auf drohende Wechseljahre? Kamen die nicht erst nach vierzig? Da hatte sie doch noch Zeit oder etwa nicht? Versteh einer die Frauen!

[home]
    Freitag, der 19. Oktober
    D a er noch nicht viele Möglichkeiten in Offenbach anbieten konnte, hatte er sich mit Svenja Stummer in dem Bistro verabredet, das er aus der Beobachtung von Hölzingers neuer Zweisamkeit kannte. Die Stummer saß ihm gegenüber, aufgedonnert, als habe sie eine Verabredung mit ihrem Lover. Die langen, braunen Haare trug sie diesmal offen, sie reichten bis zum Ansatz ihrer Apfelbrüste, die sich aus einem tiefen Ausschnitt seinen Blicken entgegenwölbten. Er versuchte krampfhaft, ihr ins Gesicht zu blicken. Doch auch hier fand er keinen Ruhepol. Die Wimpern waren mit dicker, schwarzer Pampe verklebt und verstärkten den künstlichen Puppenausdruck ihres Gesichtes ebenso wie die grellrot bemalten Lippen. Auf seinen Armen stellten sich die Härchen auf. Es war nicht die männliche Erregung, die sein vegetatives Nervensystem zu dieser Reaktion trieb, sondern der blecherne Klang der Dezibel, die sich aus ihrer Kehle lösten und ihm durch Mark und Bein vibrierten. Gab es nicht Tierarten, die mit den Knochen hören konnten? Im Moment fühlte er sich ihnen verwandtschaftlich verbunden und dachte, dass die Offenbacher keinen Grund hatten, sich über den Fluglärm zu beschweren, solange Frauen wie Svenja Stummer in der Gemarkung siedelten.
    Stephan fiel es schwer, sich auf das Gespräch zu konzentrieren, dabei war es durchaus interessant.
    Svenja Stummer hatte vor etwa vier Wochen Anselm Kling zusammen mit »dieser Türkin da aus der Domstraße, die ermordet worden ist« in einem Restaurant am Wilhelmsplatz gesehen. Sie hätten sehr vertraulich miteinander geredet. Die Mädels in der Praxis hätten schon öfter getuschelt, dass er Annäherungsversuche bei der ein oder anderen gemacht habe. Vielleicht hatte er ein Verhältnis mit der Türkin?
    »Warum nennen Sie sie nicht beim Namen, Sie wissen doch, dass sie Özlem Onurhan heißt?«
    »Ich denke, so heißt sie nicht. Sie heißt doch … irgendwie anders …«
    »Und woher wissen Sie das?«, fragte er schnell.
    Svenja Stummer hatte plötzlich einen Gesichtsausdruck wie ein Frosch, der aus Versehen eine Riesenhummel erwischt hatte. Röte drang an manchen Stellen wolkig durch ihr Make-up. Vor allem am Hals waren deutliche Flecken sichtbar. Tja, Mädchen, dachte er, jetzt merkst du, dass du einen Riesenfehler gemacht hast, denn darüber wolltest du mit mir sicher nicht sprechen.
    Der Frosch schluckte die Riesenhummel hinunter und quakte dann: »Von meinem Verlobten. Florian Sauer. Er wohnt doch auch in dem Haus. Er wusste, dass Özlem Onurhan in Wirklichkeit anders heißt. Sie hat sich vor ihren Verwandten dort versteckt, weil ihr eine Zwangsheirat drohte. Schrecklich, so was!«
    »Und das hat sie Ihrem Verlobten so einfach verraten?«
    »Nun, der Flo, das ist so ein Kümmerer, verstehen Sie? Er will immer allen

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