Das verschwundene Kind
dieser Größe.«
Serafettin zuckte mit den Schultern.
Hölzinger erklärte: »Die Kosten haben die alten Ciftcis getragen. Die Onurhans hatten die Begleitung übernommen, in der Hoffnung, dass der Ciftci-Clan nun endlich Ruhe gibt.«
Heck lachte bitter auf. »Und das ging alles so einfach, ohne dass man überprüft hat, ob die Identität der Toten stimmt?«
Hölzinger wiegte den Kopf. »Mit den Formalien ist man da nicht so genau, und es hat in der Türkei keinen interessiert, unter welchem Namen die Tote im Flieger transportiert wurde.«
Serafettin Gümüstekin lächelte wissend.
Hölzinger erkundigte sich vorsichtig: »Darf ich dabei sein, wenn Sera zu der Familie geht?«
»Klar«, bestätigte Heck, »gerade weil du mit so großem Erfolg dieses Mädchen befragt hast. Bei der hast du wohl ziemlich viel Vertrauen gewonnen?«
Hölzinger nickte. Sein Gesicht glühte. Einige Anwesende tauschten vielsagende Blicke miteinander aus. Stephan zwinkerte Hölzinger aufmunternd zu.
Heck unterbrach das beredte Schweigen: »Eigentlich haben wir noch einen ganz anderen Durchbruch. Frank Günther konnte mir gestern mitteilen, wer der Vater des Babys ist.«
Alle sahen auf, nur Ernestine nicht. Die wusste es also schon.
»Man glaubt es nicht, aber es ist unser kleiner Musterstudent aus der Domstraße, dieser Florian Sauer, der seine Nachbarin nur flüchtig gekannt haben will.«
Stephan runzelte ungläubig die Stirn: »Da wundert es mich aber, warum er den DNS -Test nicht verweigert hat.«
Heck erklärte: »Das Phänomen gibt es öfter. Die Verdächtigen setzen sich dem Test aus, in der Hoffnung, der könnte vielleicht nicht funktionieren, oder um sich selbst Klarheit zu verschaffen, weil sie an dem Ergebnis zweifeln. Außerdem würde eine Verweigerung sie ja viel verdächtiger machen. Vielleicht war unser junger Freund selber nicht so sicher, ob er wirklich der Einzige ist, der als Vater in Frage kommt.«
»Werden wir ihn damit jetzt konfrontieren?«, fragte Stephan.
Heck schüttelte den Kopf. »Ernestine hat sich gestern noch ein wenig im Umfeld des jungen Mannes umgehört und Interessantes herausgefunden.«
Er schaute Ernestine aufmunternd an. Die berichtete: »Sehr konservatives, wohlhabendes Elternhaus. Eine Beziehung zu einem türkischstämmigen Mädchen würde da vermutlich nicht gerne gesehen. Vor etwa einem halben Jahr gab es eine mit großem Pomp ausgetragene Verlobungsfeier. Die Verlobte heißt Svenja Stummer, kommt aus einer angesehenen Medizinerfamilie und studiert selbst Medizin.«
Svenja Stummer? Stephan überlegte. Wo hatte er den Namen schon mal gehört? Dann fiel es ihm wieder ein. Das war doch dieses Pferdeschwanzmädchen mit dem tiefen Ausschnitt und der waffenscheinpflichtigen Schrillstimme.
»Die kenne ich«, schaltete sich Stephan ein, »die hilft in der Praxis Kling als Sprechstundenhilfe aus.«
Schon wieder so eine Verbindung zwischen Familie Sauer und dem Ehepaar Kling, dachte er und massierte sich unwillkürlich den Nacken.
»Kannst du an ihr dranbleiben?«, fragte Heck, und Stephan nickte.
»Werden wir diesen Florian Sauer jetzt auseinandernehmen?«, wollte Hölzinger wissen.
»Wir müssen uns in dem Zusammenhang auch überlegen, wann wir das mit dem verschwundenen Kind öffentlich machen«, ergänzte Stephan.
»Gar nichts von dem machen wir jetzt«, entschied Heck. »Wir werden den jungen Mann noch ein paar Tage in Ruhe lassen, aber rund um die Uhr observieren.«
Einige rollten die Augen, sie wussten, was das hieß. »Kollege Stephan und ich sind raus, uns kennt der junge Mann schon, wir haben auch noch genug zu tun, um die Zusammenhänge zu ein paar anderen merkwürdigen Spuren zu ermitteln, nicht wahr?« Stephan nickte artig.
Heck wandte sich wieder den anderen zu: »Und für euch heißt das, allen Wegen, allen Verbindungen Florian Sauers nachzugehen, minutiös zu dokumentieren, was er so treibt. Vielleicht weiß er nicht nur, dass er der Vater des Kindes ist, sondern er weiß längst, wo es ist, und führt euch vielleicht zu ihm. Und Achtung! Keine Eigenmächtigkeiten! Der unscheinbare junge Mann hat sich inzwischen zu unserem Tatverdächtigen Nummer eins gemausert.«
Alle nickten. Jedem war klar, dass es durchaus Motive für den jungen Mann gab, sich der Frau zu entledigen, die ihn möglicherweise mit dem Kind erpresst hatte und drohte, seine gesellschaftliche Stellung zu gefährden. Vielleicht war diese Erpressung der Grund, warum Hatice den Onurhan-Schwestern gegenüber so
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