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Das verschwundene Kind

Das verschwundene Kind

Titel: Das verschwundene Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Bezler
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Stephan fand sich wenig später am Tisch sitzend wieder, auf der Vorderkante eines Stuhles, den er mit einer prall gefüllten Wickeltasche teilte.
    »Machen Sie keine Umstände, lassen Sie die Sachen ruhig stehen«, hatte er artig gesagt und war nun damit beschäftigt, ein von Christine Schneider-Dennhardt unter viel Eigenlob angebotenes Stück selbstgebackenen, furztrockenen Möhrenkuchens mit möglichst viel Kaffee hinunterzuspülen. Die Frauen verwickelten ihn in ein Gespräch, und schließlich kamen von Vera Schneck-Walz die bei solchen Gelegenheiten üblichen Floskeln: »Ach, ja, wie interessant! Und was machen Sie beruflich?«
    »Ich arbeite als Beamter bei der Po…«, nuschelte er und wurde blitzschnell von Maren unterbrochen, die süß lächelnd ergänzte: »Post. Er ist Beamter bei der Post.«
    Stephan verschluckte sich und unterließ es, die Angelegenheit klarzustellen.
    Später, als die Damen endlich mit fast allen Utensilien gegangen waren und er Maren half, den Zustand des Wohnzimmers aus der Erinnerung zu rekonstruieren, kam es zum Streit.
    »Wieso sagst du diesen Muttertieren, dass ich bei der Post arbeite? Ist dir das also peinlich, mit einem Polizisten zusammen zu sein?«
    »Nein, aber ich weiß, dass Vera und Christine politisch eher links einzuordnen sind, und da gibt es gewisse Vorbehalte gegen Polizisten, von wegen Polizeistaat und so.«
    »Aha. Denkst du vielleicht auch so?«
    »Nein, natürlich nicht, aber ich hatte keine Lust, dass es zur Auseinandersetzung über das Thema gekommen wäre. So nach dem Motto, wie viel Polizei braucht das Land, Überwachung und so. Christine kann sehr hartnäckig diskutieren.«
    »Ich auch! Der Tante hätte ich gehörig die Meinung gesagt.«
    »Siehst du, genau diese Diskussion wollte ich nicht führen, daher habe ich das mit der Post gesagt.«
    Die Stimmung an diesem Abend ließ sich nicht mehr reparieren, und Lars kam schließlich doch noch zu seiner Fertigpizza, dem kühlen Bier und einer Fußballübertragung in den eigenen vier Wänden.

[home]
    Donnerstag, der 18. Oktober
    D er Tag begann gleich morgens um kurz nach sieben mit einer Konferenz im Besprechungsraum. Lars ließ Hölzinger die kleine Sensation berichten, die sie gestern herausgefunden hatten. Zu ihrem Erstaunen reagierte Heck nicht übermäßig darauf. Er fragte nur in Richtung Ernestine: »Hätten wir das eher überprüfen sollen?«
    »Ich war dran«, berichtete diese, »es gab Ungereimtheiten bezüglich des Geburtsdatums auf dem Ausweis und der Schätzung des Gerichtsmediziners, dass die Tote Anfang zwanzig sei. Özlem Onurhan ist Anfang dreißig. Früher oder später wären wir auch so dahintergekommen. Soll ich diese Özlem Peters aufsuchen und befragen?«
    Heck nickte zufrieden und wandte sich an den Ausländerbeauftragten: »Sera, du sprichst noch einmal mit der Familie, klärst sie über die rechtlichen Konsequenzen auf, aber nicht zu hart, wir brauchen ihre Kooperation. Auch muss man herausfinden, ob man sie nicht sogar irgendwie schützen muss vor der Rache dieses Ciftci-Clans. Also versuche, ihr Vertrauen zu gewinnen! Ferner will ich wissen, wie sie das gedeichselt haben mit der Beerdigung in der Türkei, also unter welchem Namen sie die Tote wo verbuddelt haben.«
    »Bestimmt wurde sie eingeäschert. Die haben keinen Sarg im Flugzeug transportieren lassen. Das ist doch viel zu teuer«, meinte Ernestine.
    Hölzinger schaltete sich ein: »Für Muslime ist Einäscherung ein absolutes Tabu. Serafettin Gümüstekin nickte bestätigend. Hölzinger fuhr fort: »Sie haben die Tote in die Türkei überführt. Das ist ein durchaus üblicher Vorgang. Vom Flughafen in Ankara aus ist sie dann mit dem Auto in das kleine Dorf gefahren worden, wo ihre Großeltern noch immer leben. Die haben sie dort nach allen religiösen Regeln auf dem heimischen Friedhof unter ihrem richtigen Namen bestattet.«
    Ernestine schüttelte ungläubig den Kopf. »Müssen das alle Muslime so machen? Können die nicht auf einem hiesigen Friedhof bestattet werden?«
    Serafettin antwortete: »Doch, auch in Offenbach gibt es einen muslimischen Bereich auf dem neuen Friedhof. Das geht nicht auf jedem Friedhof, die Gräber müssen Richtung Mekka ausgerichtet sein. Viele Muslime ziehen eine Bestattung in heimatlicher Erde vor. Die Fluggesellschaften haben sich auf diese besondere Fracht eingerichtet.«
    Ernestine kommentierte: »Das ist sicher ein lukratives Geschäft. Denn das kostet bestimmt deutlich mehr als normale Fracht in

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