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Das verschwundene Mädchen: Roman (German Edition)

Das verschwundene Mädchen: Roman (German Edition)

Titel: Das verschwundene Mädchen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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ertrage, ist die von Mrs Louderback.
    Die Plakate waren nicht gerahmt, sondern bloß an den Ecken mit Klebgummi befestigt. Schlanke Männer und Frauen waren darauf zu sehen, die reich aussahen und fröhlich waren, in der Bretagne, an der Côte d’Azur, in Deauville, auf Capri und an anderen solchen Orten. Oberhalb vom Strand in Deauville, wo leuchtende Sonnenschirme in der offensichtlich warmen Brise und goldenen Sonne flatterten, winkte eine Frau im Badeanzug ihren Freunden weiter unten am Strand zu. Reiche und glückliche Menschen winkten anderen reichen und glücklichen Menschen von Weitem zu. Trugen Frauen wirklich solche luftigen Abendkleider, so dünn und flach, dass sie selbst aussahen wie Ozeanwellen? Und Männer in Strohhüten und gestreiften Jacketts, die diese Frauen glücklich in kleine, mit Pflaumenbäumen bestandene Innenhöfe trugen. Lässig an einen chauffeurgesteuerten Wagen gelehnt, winkte eine in weißen Pelz gehüllte Frau jemandem zu, der draußen unter den Sternen tanzte.
    Sie wirkten alle so vom Schicksal begünstigt, und ich fragte mich, ob sie wirklich dieses Leben führten oder ob sie mir aus Gefilden zuwinkten, die ich wahrscheinlich nie mit ihnen würde teilen dürfen.
    Unsanft wurde ich aus meinen Deauville-Träumereien gerissen, als ich das Eis in Auroras Glas klirren hörte. Sie hatte die Hand ausgestreckt und verlangte noch einen Hollow Leg. Ich protestierte nicht, es war mir doch egal. Ich machte bereits Pläne für morgen.

46. KAPITEL
    Ich war froh, dass ich einen Pullover anhatte, denn auf der Windy Run Road blies es ziemlich heftig, so dass es mir die Metallrahmentür am Diner fast aus der Hand gerissen hätte. Ich wusste, dass der erste Kommentar wieder was mit vom-Wind-hereingeweht zu tun haben würde.
    »Na, schau mal, was der Wind von draußen reingeweht hat!«
    Es war Evren, auf seinem Stammplatz zwischen Don Joe und Billy.
    Sieben langweilige Minuten lang redeten sie alle übers Wetter, während ich die Kuchen in der Glasvitrine begutachtete. Dann kam Mervin herein – ohne seine Frau (wie ich erfreut feststellte) –, grüßte in die Runde und rutschte in seine übliche Tischnische.
    Louise Snell fragte lächelnd: »Willst du Mittagessen, Mervin, oder bloß einen Kaffee?«
    »Kaffee, danke. Zu früh fürs Mittagessen.« Dann überlegte er es sich anders und meinte: »Vielleicht eine Waffel, Louise, zur Überbrückung.« Er lächelte mir zu und tippte sich grüßend an den Kopf, als trüge er einen Hut. »Wie geht’s dir, Emma?«
    Evren übernahm die Antwort. »Die hat’s beinah nach Alaska geweht.«
    »Einen von unsren fünfzig Staaten«, schaltete Don Joe sich ein. »Der andre is Hawajih, wenn ich mich recht erinner.« Er schaute mich vielsagend an.
    Ich kniff den Mund zu. Er würde es nie verwinden, dass ich ihn mal wegen der achtundvierzig Bundesstaaten korrigiert hatte. Ich ließ »Hawajih« auf sich beruhen, obwohl es mich schon gewaltig juckte. Als Louise fragte, ob ich gern ein Stück Kuchen hätte, sagte ich: »Nein, lieber einen Donut.« Ich hatte mir Mervins Worte zu Herzen genommen: Es war noch ein bisschen früh fürs Mittagessen. Na hoffentlich, schließlich musste ich bis dahin zurück sein, um es zu servieren.
    Ich versuchte, das Gespräch ganz locker auf den Fremden im hellbraunen Anzug mit Zigarre zu lenken.
    »Na, was treibst du denn so heute Morgen, Mädchen? Hast du die Geschichte schon vollends fertig geschrieben?«
    Dies kam von Don Joe, zum offenkundigem Missfallen von Billy, denn der wollte immer derjenige sein, der die erste Frage stellte. Es war das perfekte Thema, das ich fast schon vergessen hatte, weil ich seit zwei Wochen kaum dran gearbeitet hatte. »Nein, ich bin noch nicht fertig. Das ist auch ein Grund, wieso ich hier bin. Ich muss noch mal mit den Queens reden. Und mit ihrem Cousin würd ich auch gern reden. Der ist hoffentlich noch im Lande.« Ich mampfte meinen Donut.
    Das erregte Interesse. Hier war ein taufrisches Thema. Billy legte gleich los. »Das is doch nich etwa der große Blonde, so ein Stadtfrack?«
    »Stadtfrack? Wahrscheinlich, schließlich ist er aus New York.«
    Mervin sagte: »Also, blond würde ich ihn jetzt nicht nennen, Billy. Nein, sein Haar ist eher gelbbraun.« Er schaute mich an. »Sämtliche Schattierungen von blond und hellbraun.«
    Billy hatte sich auf seinem Hocker herumgeschwungen und schaute Mervin direkt ins Gesicht. »Mervin, die Brille, die wo du aufhast, die solltest du mal putzen! Sehr gut sehen tust

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