Das Versprechen deiner Lippen
Mandy nickte seufzend. Morgen würde ein langer Tag werden.
Seth stand auf. „Ich bestelle einen Whisky beim Zimmerservice“, sagte er zu Caleb. „Willst du auch einen?“
„Da schließe ich mich gern an“, antwortete Caleb.
Mandy stand auf und umarmte ihren großen Bruder herzlich.
„Alles okay bei dir?“, brummte er ihr ins Ohr und verwuschelte ihr Haar.
„Das kann ich dir erst morgen sagen.“ Mandy graute bei dem Gedanken, dass die beiden in ihre eigene Suite hinübergingen, dass ihre Schwester im Zimmer nebenan schlief und sie mit ihren Gedanken und Ängsten allein blieb. Sie würde kein Auge zutun können. Das Schicksal ihrer Familie hatte sich gewendet. Sie hatte keine Ahnung, was als Nächstes kommen würde.
Seth schloss die Tür hinter sich, und Caleb wandte sich ihr zu. „Das hat dich alles ganz schön mitgenommen, nicht wahr?“
„Ja“, erwiderte sie und zitterte.
Er trat zu ihr. „Kann ich irgendwie helfen?“
„Du hast uns schon so viel geholfen.“ Sie versuchte, die Ereignisse der Nacht zu begreifen. „Du hast ein Privatflugzeug.“
„Das gehört Active Equipment.“
„Aber dir gehört Active Equipment.“
„Stimmt.“
„Danke, dass du uns alle hierhergebracht hast. Meine Mom hatte schreckliche Angst …“ Sie schluckte. „Ich hatte furchtbare Angst, dass er sterben würde, bevor …“
Caleb zog sie in seine starken Arme. „Aber er ist nicht gestorben. Und ihr seid jetzt alle hier. Und vielleicht gibt es ja morgen früh schon gute Nachrichten.“
Mandy legte ihre Wange an Calebs Brust, und sein gleichmäßiger Herzschlag und seine tiefe Stimme wirkten beruhigend auf sie.
Er küsste sie zärtlich auf die Schläfe, und all ihre Gefühle vom Abend brandeten sofort wieder auf.
„Caleb“, stammelte sie. „Was wir …“
„Schh. Nicht jetzt. Das spielt im Moment alles gar keine Rolle.“
Sie schloss die Augen. „Bist du immer so nett?“
„Nein, fast nie.“ Er schwieg. „Du musst jetzt schlafen.“
„Ich weiß.“ Sie wünschte, sie könnte den Rest der Nacht in Calebs Armen ruhen. Sie fühlte sich so verletzlich und empfindsam, und er bot ihr so viel Geborgenheit. Das war ihr im Moment das Wichtigste.
Am nächsten Morgen gab es positive Nachrichten. Caleb war wie alle anderen überrascht, wie schnell es Hugo besser ging. Er erkannte alle Familienmitglieder. Sie durften ihn besuchen, und er konnte Maureens Namen aussprechen und dazu noch andere grundlegende Wörter, sodass er ihnen zumindest das Wesentliche mitteilen konnte: Seth sollte weiter seinen Wahlkampf planen, Abigail sollte mit Maureen bei ihm in Denver bleiben und Mandy nach Hause fahren und mit Travis die Ranch führen.
Caleb bewunderte die Zähigkeit des alten Mannes. Weniger als vierundzwanzig Stunden nach dem Schlaganfall konnte Hugo seinen rechten Arm schon wieder etwas bewegen, und auch bei seinem rechten Fuß zeigte sich eine Besserung. Die Ärzte waren mit seinen Fortschritten sehr zufrieden und äußerten sich optimistisch, dass er sich allmählich wieder erholen würde, auch wenn sie einschränkten, das könne noch Wochen oder Monate dauern.
Seth beschloss, zu einigen politischen Sitzungen in Denver zu bleiben, daher kehrten Caleb und Mandy allein im Firmenjet von Active Equipment zurück. Als sie am späten Nachmittag auf dem Rollfeld in Lyndon landeten, zogen Wolken auf, und es hatte merklich abgekühlt.
Sobald Mandy und Caleb ihre Handys wieder angeschaltet hatten, fingen die Telefone an zu klingeln.
„Hier ist Travis“, hörte Caleb seinen Anrufer am anderen Ende sagen.
„Wir sind gerade in Lyndon gelandet“, informierte ihn Caleb. „Hast du mit deiner Mutter gesprochen?“
„Ja. Dad macht gute Fortschritte. Die Ärzte staunen.“
„Schön zu hören.“ Er öffnete zuerst die Beifahrertür.
„Und dann ist da noch etwas mit Danielle“, fuhr Travis fort.
„Hast du sie erreichen können?“ Caleb hatte am Morgen versucht, bei ihr anzurufen, hatte aber nur die Mailbox erreicht. Vermutlich war Danielle gerade auf dem Rückflug nach Chicago. Trotzdem hatte er Travis gebeten, es auch bei ihr zu versuchen und auf der Ranch nachzusehen. Er selbst war am Abend davor so überstürzt aufgebrochen, dass keine Zeit für Erklärungen geblieben war. Und Danielle war alles andere als geduldig.
„Ich bin zu eurer Ranch gefahren“, versicherte Travis.
„Also ist sie auf dem Rückweg nach Chicago.“
„Nicht ganz.“
„Nicht?“ Caleb schwang sich auf den Fahrersitz und
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