Das Versprechen deiner Lippen
sehr mein Leben davon bestimmt wird, dass alle zu Hause sind. Keiner scheint mich mehr zu brauchen. Ich glaube, die Terrells brauchen mich im Moment mehr als meine eigene Familie.“
Abigails kniff die Augen zusammen. „Die Terrells?“
„Um Reed zurückzubringen.“ Mandy war überrascht, dass Abigail sie nicht sofort verstand. „Caleb ist von dieser Schnapsidee, die Ranch zu verkaufen, nicht abzubringen, und Reed ist weiter wie vom Erdboden verschluckt. Irgendjemand muss den beiden ja schließlich etwas Vernunft beibringen.“
Abby beugte sich in ihrem Sessel vor. „Das sind erwachsene Männer, Mandy.“
„Das heißt noch lange nicht, dass sie auch nur ein Fünkchen Verstand haben.“
„Und das heißt wiederum nicht, dass du dich darum kümmern musst.“
Mandy schüttelte den Kopf. Ihre Schwester verstand sie einfach nicht. „Die Welt ist aus den Fugen. Seit zehn Jahren so. Ich liebe Reed.“
„Wir alle lieben Reed.“
„Na also! Ich kann ihn in einer so schlimmen Zeit doch nicht im Stich lassen. Er ist wie mein dritter Bruder!“
Abby verzog bestürzt das Gesicht. „Kann es sein“, sie zögerte und beobachtete Mandy aufmerksam, „dass du dich – ich meine zurzeit – irgendwie Reed als Ersatz für deine eigene Familie siehst?“
„Wie kommst du denn darauf?“
Abigail hob die Hand. „Lass mich ausreden. Wir haben alle zurzeit schrecklich viel um die Ohren. Und du fühlst dich irgendwie ausgeschlossen. Und da kommt dieses hochspannende Familiendrama wie gerufen, und du denkst vielleicht, du könntest es lösen.“
„Ein hochspannendes Familiendrama ? Du meinst also, ich ziehe so etwas wie emotionale Befriedigung daraus, dass Caleb Terrell droht, die Ranch der Familie zu verkaufen?“
„Du bist doch keine Mutter Teresa. Ist jemand verletzt? Mandy hilft. Ist jemand traurig? Mandy tröstet. Haben zwei Leute Streit? Mandy versöhnt.“
„Du sagst das, als wäre es etwas Schlechtes.“
„Es ist nichts Schlechtes. Es ist toll. Und es ist eine wichtige Rolle, aber in deiner eigenen Familie. Wenn du dich bei anderen einmischst, dann wird es zum Problem.“
„Hier geht es um Reed Terrell, nicht um irgendeinen dahergelaufenen Fremden.
„Ich meine doch nur, du sollst Calebs und Reeds Probleme nicht zu deinen eigenen machen. Denn es kann sehr gut sein, das du sie nicht lösen kannst.“
„Ich muss sie lösen.“
„Und wenn es dir nicht gelingt?“
Darüber wollte Mandy im Augenblick nicht nachdenken. Was, wenn Reed für immer fortgegangen war? Was, wenn auch Caleb fortging und keinen Grund mehr hätte, jemals hierher zurückzukommen?
Sie konnte sich nur schwer eingestehen, nicht einmal sich selbst gegenüber, dass sie insgeheim gehofft hatte, er würde seine Beziehungen zum Lyndon Valley wieder vertiefen und vielleicht hin und wieder herkommen. Schließlich hatte er ja sein eigenes Flugzeug. Und dann könnten sie … vielleicht …
„Wenn ich es nicht schaffe, dass die beiden sich versöhnen“, erwiderte Mandy vage, „dann ist es eben so. Reed wird fort sein, und das Leben geht weiter.“
Eine lange Stille trat ein. „Und warum glaube ich dir nicht?“
„Weil du von Natur aus misstrauisch bist. Das hast du mit Travis gemeinsam.“
Abigail setzte sich kerzengerade auf und fixierte ihre Schwester. „Dann bin ich also nicht verrückt. Du bist in ihn verknallt!“
„Er ist ein netter Kerl“, sagte Mandy vorsichtig.
„Du hast mir gerade erzählt, dass er versucht, die Ranch zu verkaufen und dass du ihn daran hindern willst. Das klingt nicht nach einem netten Kerl.“
Mandy Wangen glühten. „Na ja“, gab sie zu. „Abgesehen von diesem speziellen Charakterfehler ist er ein netter Kerl.
„Und ganz schön sexy“, bemerkte Abigail. „Hat er dich geküsst?“
Mandy zögerte. Wie viel, wenn überhaupt, sollte sie ihrer Schwester verraten?
„Es stimmt also“, rief Abigail triumphierend aus. „Wann? Wo? Ich will alles genau wissen.“
Mandy nahm all ihren Mut zusammen. „Er hat mich überall geküsst.“
„Was heißt überall ? So exakt und geografisch wollte ich es jetzt auch wieder nicht wissen!“
Mandy schüttelte den Kopf, und ein geheimnisvolles Lächeln breitete sich über ihr Gesicht aus.
„Wann?“
„Vor zwei Tagen.“
„Auf der Ranch?“
„Auf seiner Ranch.“
Abby ließ sich in ihrem Sessel zurücksinken und wirkte völlig schockiert.
„Aber anschließend hab ich nichts mehr von ihm gehört.“ Die Worte brachen nur so aus Mandy heraus.
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