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Das Versprechen der Kurtisane

Das Versprechen der Kurtisane

Titel: Das Versprechen der Kurtisane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cecilia Grant
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suchte eine trockene Stelle im Taschentuch und tupfte sich wieder die Augen. »Mein Jamey hat selbst zweitausend Pfund aus noch so einer Anlage, wussten Sie das?«
    Sie hatte es nicht gewusst. Doch sie erinnerte sich plötzlich an den Abend, an dem sie nach dem Erlös aus dem Verkauf von Wills Patent gefragt hatte. Ein Teil davon stehe ihm nicht zur Verfügung, hatte er gesagt. Sie berührte ihre eigenen Augen mit dem Handschuh. »Ich bin so froh für Sie. Sie haben es bestimmt verdient.«
    Sollte sie ruhig glauben, dass es Vorsehung war. Das war es ja auch. Es war so vorgesehen, dass die Menschen einander halfen. Die Besten von ihnen machten eine heilige Pflicht daraus. Menschen wie sie selbst konnten wenigstens dafür Sorge tragen, dass sie so noblen Absichten nicht im Wege standen.
    Bei der Bank stand sie in derselben Schlange an und näherte sich langsam, aber sicher demselben Angestellten, dessen unverschämte Manieren eine ähnliche Mission sechs Wochen zuvor vereitelt hatten.
    In sechs Wochen konnte sich jedoch einiges verändern. Sie hatte in dieser Zeit die Hand gegen einen Mann erhoben und zwei erschossen. Und sie hatte ihr Herz zurückerobert, mit all seiner Zerbrechlichkeit und all seiner Stärke.
    Außerdem brauchte Mrs Talbot sie, wie Jane sie niemals wirklich gebraucht hatte. Und Mr Blackshear, ohne es zu wissen. Die Verantwortung für andere war ein erstaunlich stärkendes Elixier – als sie endlich an der Reihe waren, hätte sie einem Dutzend anzüglich grinsender Bankangestellter gegenübertreten können, nackt, wenn es nötig gewesen wäre, ohne mit der Wimper zu zucken.
    Es war aber nur einer. Und er brachte nicht einmal ein vernünftiges Maß an Anzüglichkeit zustande. »Guten Nachmittag, Sir«, sagte sie, sobald sie und die Witwe sich gesetzt hatten. »Ich möchte Ihnen Mrs Talbot vorstellen, die Witwe eines unserer tapferen Veteranen. Sie würde gern in die Navy investieren. Sie hat keinen Vertreter, aber sie hat zweitausendfünfhundert Pfund.« Sie hielt inne, um ohne Eile Luft zu holen. »Und sie hat mich. Und ich werde diese Bank nicht verlassen, bis sie ihre Police in den Händen hält, und wenn ich mich an ein Dutzend Ihrer ehrenwerten Kollegen wenden muss, bis jemand bereit ist, mir weiterzuhelfen.«
Kollegen, denen ich ein paar Dinge über Sie erzählen könnte.
    Das brauchte sie gar nicht laut zu sagen. Seine Miene verriet ihr deutlich, dass seine Vorstellungskraft die Lücke gefüllt hatte. Er tauchte den Federkiel in die Tinte und begann, die Daten der Witwe aufzunehmen, ohne Lydia dabei ins Gesicht zu sehen.
    Dreißig Minuten später traten sie wieder auf die Straße. Mrs Talbot umklammerte ihre Police und suchte wieder nach ihrem Taschentuch. »Sie sind so freundlich, Miss Slaughter. Wenn es jemals etwas gibt, was ich für Sie tun kann –«
    Und
das
war alles, was noch gefehlt hatte, der letzte Wert, der die Gleichung aufgehen ließ. »Sie könnten mir tatsächlich einen Gefallen tun. Sie haben jetzt die nötigen Mittel, ein Dienstmädchen anzustellen, und ich kenne zufällig jemanden, der genau solch eine respektable Anstellung sucht.«
    Er konnte nicht sagen, wie lange er schon an derselben Stelle auf dem Bett gesessen hatte, als sie endlich durch die Tür kam. Er war auch eine geraume Weile auf den Beinen gewesen. Millimeter für Millimeter hatte er die Wohnung durchkämmt, um zu sehen, ob noch irgendetwas anderes fehlte, und dann um zu sehen, ob nicht doch irgendwo ein erklärender Zettel lag. Doch den Großteil der Zeit hatte er genau hier verbracht und die Schublade angestarrt, die er wieder und wieder ausgeleert hatte. Nach dem letzten Angriff hatte er sie nicht wieder zugeschoben, und jetzt ragte sie mit einer gewissen Trotzigkeit aus der Kommode, wie als sei sie sich der Tatsache, dass sie ihn enttäuscht hatte, nur allzu bewusst und entschlossen, sich nicht darum zu scheren.
    Die Tür fiel ins Schloss und er drehte langsam den Kopf. Er stand nicht auf.
    Sie trug das einfache dunkelblaue Kleid, das sie getragen hatte, als Martha sie auf der Straße entdeckt hatte. Ein Retikül hing schlaff an ihrem Handgelenk. Sie blickte sich im Raum um und kam mit vorsichtigen Schritten zur Schlafzimmertür.
    Er wartete, bis sie ihn entdeckt hatte, und die ausgezogene Schublade. Er ließ seinen eigenen Blick zur Schublade zurückwandern. Die Frage wollte ihm nicht über die Lippen, doch das war auch gar nicht nötig. Eine zehnmal dümmere Frau hätte gewusst, dass er nicht wegen eines

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